Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
985 dänische Kronen. Das konnte vielleicht noch als Bagatelle bezeichnet werden, keineswegs aber, wie Major Albert Knag von den seltsamen Einfällen seiner Tochter hierhin und dorthin dirigiert wurde. War sie nun hier – oder war sie das nicht?
Von nun an sah er sich bei jedem Schritt nach allen Seiten um. Er kam sich vor wie ein Spion und eine Aufziehpuppe in einer Person. Wurde er hier nicht Schritt für Schritt seiner menschlichen Freiheit beraubt?
Dennoch musste er zu dem großen Duty Free Shop. Hier fand er einen weißen Briefumschlag, auf dem sein Name stand. Der ganze Flughafen schien in eine Art Computerspiel verwandelt, bei dem er als Cursor diente. Auf dem Zettel stand:
Major Knag, c/o Duty Free Shop auf dem Flughafen. Alles, was ich von hier will, ist eine Tüte Weingummi und ein paar Schachteln mit Marzipan von Anthon Berg. Vergiss nicht, dass das alles in Norwegen viel teurer ist! Soviel ich weiß, trinkt Mama gern Campari.
PS. Du musst auf der ganzen Heimreise offene Sinne haben. Denn du willst doch wohl keine wichtige Nachricht übersehen?
Grüße von deiner sehr gelehrigen Tochter Hilde
Albert Knag seufzte resigniert, doch dann ging er in den Laden und kaufte, was Hilde bestellt hatte. Mit drei Plastiktüten und seiner Schultertasche ging er nun zum Ausgang 28, um dort den Abflug abzuwarten. Wenn es noch mehr Zettel gab, dann sollten sie eben hängen bleiben.
Aber auch an einer Säule beim Ausgang 28 hing ein weißer Umschlag: »Für Major Knag, c/o Ausgang 28, Flughafen Kastrup, Kopenhagen.« Auch das war Hildes Schrift, aber war die Nummer des Ausgangs nicht in einer anderen Schrift hinzugefügt worden? Das war leider nicht so leicht zu entscheiden, da er keine Buchstaben vergleichen konnte, sondern nur Zahlen.
Er setzte sich in einen Sessel, der dicht vor einer Wand stand. Die Tüten stellte er auf seine Knie. Der stolze Major saß da und starrte vor sich hin wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal allein verreist. Wenn sie hier war, dann sollte sie jedenfalls nicht die Freude haben, ihn als Erste zu entdecken. Ängstlich blickte er zu allen Passagieren hoch, die sich nach und nach einfanden. Für eine Weile kam er sich vor wie ein streng überwachter Staatsfeind. Als zum Einsteigen aufgerufen wurde, atmete er erleichtert auf. Er ging als Letzter an Bord.
Als er seine Bordkarte abgab, riss er noch schnell einen Briefumschlag ab, der an der Sperre klebte.
Sofie und Alberto waren über die Breviksbrücke gefahren – bald darauf kamen sie an der Abfahrt nach Kragerø vorbei.
»Du fährst ja hundertachtzig«, sagte Sofie.
»Es ist kurz vor neun. Bald landet er auf dem Flugplatz Kjevik. Zum Glück kann uns keine Verkehrskontrolle aufhalten.«
»Aber wenn wir mit irgendwem zusammenstoßen?«
»Das macht auch nichts, solange es ein normales Auto ist. Nur wenn es jemand von uns sein sollte ...«
»Ja?«
»Dann müssen wir aufpassen. Hast du nicht gesehen, dass wir an Herbie, dem tollen Käfer vorbeigefahren sind?«
»Nein!«
»Doch. Der hatte irgendwo in Vestfold geparkt.«
»An dem Reisebus da vorne kommen wir aber nicht so leicht vorbei. Hier ist doch auf allen Seiten dichter Wald.«
»Das spielt keine Rolle, Sofie. Das wirst du gleich sehen.«
Und er bog in den Wald ab und fuhr mitten durch die dicht stehenden Bäume hindurch.
Sofie atmete erleichtert auf.
»Du hast mir einen Schrecken eingejagt.«
»Du würdest auch nichts merken, wenn wir durch eine Wand aus Stahl fahren müssten.«
»Das bedeutet, dass wir im Verhältnis zu unserer Umgebung nur luftige Geister sind.«
»Nein, jetzt stellst du alles auf den Kopf. Die Wirklichkeit um uns herum ist für uns wie ein luftiges Märchen.«
»Das musst du genauer erklären.«
»Dann hör gut zu. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Geist ›luftiger‹ sei als Wasserdampf. Aber das Gegenteil ist der Fall. Geist ist fester als Eis.«
»Darüber habe ich nie nachgedacht.«
»Dann will ich dir eine Geschichte erzählen. Es war einmal ein Mann, der nicht an Engel glaubte. Eines Tages kam trotzdem ein Engel zu ihm, während er draußen im Wald arbeitete.«
»Ja?«
»Sie gingen ein kleines Stück zusammen. Am Ende wandte der Mann sich an den Engel und sagte: ›Ja, jetzt muss ich zugeben, dass es Engel gibt. Aber ihr seid keine ordentlichen Wesen, so wie wir.‹ – ›Wie meinst du das?‹ fragte der Engel. Und der Mann antwortete: ›Als wir an dem Felsblock vorbeikamen, musste ich um ihn herumgehen, aber du
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