Sog des Grauens
Gelegenheit habe, mit einem zu sprechen, der höher steht als diese jungen Polizisten. Wenn ich ihm dann sage, wer ich bin, sind wir beide frei.«
Wyatt starrte ihn an. »Ist das Ihr Ernst?«
»Natürlich ist es mein Ernst. Mein Gott, Mann; ein jeder kennt mich. Die Regierung dieser armseligen Bananenrepublik wird sich hüten, Uncle Sam zu verärgern, indem sie mich im Gefängnis festhalten. Daß man mich verhaftet hat, wird schon Schlagzeilen machen, und dieser Serrurier-Bursche wird die Sache nicht noch verschlimmern wollen.«
Wyatt holte tief Luft. »Sie kennen Serrurier nicht«, sagte er. »Er mag Amerikaner so oder so nicht, und er wird sich einen Dreck darum kümmern, wer Sie sind – wenn er überhaupt je von Ihnen gehört hat, was ich bezweifle.«
Diese ketzerische Ansicht von Wyatt schien Dawson getroffen zu haben. »Nicht von mir gehört? Natürlich wird er von mir gehört haben.«
»Sie haben die Kanonen gehört«, sagte Wyatt. »Serrurier kämpft um sein Leben – begreifen Sie das? Wenn Favel siegt, ist Serrurier ein toter Mann. In diesem Augenblick kümmert er sich keinen Deut um das Wohlwollen von Uncle Sam oder sonstwem – dazu hat er einfach keine Zeit. Und er wird es genauso machen wie ein Arzt, er wird seine Mißgriffe begraben, und wenn ihm jemand über uns berichtet, wird man uns vielleicht zu einer kleinen Schießerei im Keller einladen; deshalb flehe ich Gott an, daß ihm niemand etwas sagt. Und ich hoffe, daß seine Boys keine eigene Initiative entwickeln.«
»Aber es muß eine Gerichtsverhandlung geben«, sagte Dawson. »Ich werde meinen Rechtsanwalt kommen lassen.«
»Um Gottes willen«, explodierte Wyatt. »Wo haben Sie bis jetzt gelebt – auf dem Mond? Serrurier hat in den letzten sieben Jahren zwanzigtausend Menschen ohne Gerichtsverhandlung exekutiert. Sie verschwanden einfach. Fangen Sie an zu beten, daß wir ihnen nicht folgen müssen!«
»Aber, das ist doch Unsinn«, sagte Dawson ruhig. »Ich komme seit fünf Jahren nach San Fernandez – man kann von hier aus gut zum Fischen fahren – und habe nie etwas davon gehört. Und ich habe viele Regierungsbeamte kennengelernt, und Sie könnten sich keine nettere Gesellschaft wünschen. Natürlich sind sie schwarz, aber ich habe deswegen keine geringere Meinung von ihnen.«
»Sehr tolerant von Ihnen«, sagte Wyatt sarkastisch. »Kennen Sie die Namen einiger dieser ›netten Leute‹? Diese Information könnte sich als nützlich erweisen.«
»Gewiß; der beste von ihnen war der Minister für Inselangelegenheiten – ein Mann namens Descaix. Er war …«
»O nein!« stöhnte Wyatt, setzte sich auf den Hocker und schlug die Hände vors Gesicht.
»Was ist los?«
Wyatt sah auf. »Jetzt hören Sie, Dawson! Ich will versuchen, es so einfach wie möglich auszudrücken. Ihr netter Mensch, Descaix, war der Chef von Serruriers Geheimpolizei. Serrurier sagte: ›Tun Sie das!‹, und Descaix tat es, und das Ergebnis war ein ganzer Haufen Ermordeter. Aber Descaix machte einen Fehler – einer seiner Morde klappte nicht so recht, und der Mann stand wieder auf, der Mann, der für das ganze Geballer oben in den Bergen verantwortlich ist. Favel.« Er tippte Dawson auf das Knie. »Serrurier gefiel das nicht. Was meinen Sie, was daher mit Descaix geschah?«
Dawson blickte unglücklich drein. »Das weiß ich nicht.«
»Das weiß auch sonst niemand«, sagte Wyatt. »Descaix ist weg, verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben – ausgelöscht. Ich selbst vermute, daß er in einem Erdloch oben im Turm Rambeau liegt.«
»Aber es war ein so netter, freundlicher Kerl«, sagte Dawson. Er schüttelte unsicher den Kopf. »Ich verstehe nicht, wie mir so etwas entgangen sein sollte. Ich bin Schriftsteller – von mir erwartet man Menschenkenntnis. Ich war sogar mit Descaix zum Fischen – sicher lernt man doch einen Mann kennen, mit dem man zum Fischen fährt, oder nicht?«
»Wie sollten Sie?« fragte Wyatt. »Leute wie Descaix haben ihren Geist sauber in Kammern abgeteilt. Wenn Sie oder ich einen Menschen umgebracht hätten, würden wir das unser Leben lang nicht loses würde einen Eindruck hinterlassen. Aber Descaix läßt einen Menschen umbringen und hat es schon wieder vergessen, kaum daß er den Befehl dazu gegeben hat. Es belastet sein Gewissen nicht im geringsten – also ist es ihm auch nicht anzumerken – es ist kein Eindruck zu erkennen.«
»Jesus!« sagte Dawson voll Grauen. »Ich war mit einem Massenmörder zum
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