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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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lehnte sich über den Schreibtisch. »Wissen Sie nicht, wer Dawson ist – der Mann, den Sie eben zusammengeschlagen haben? Er ist der berühmte Schriftsteller. Sie müssen doch von Big Jim Dawson gehört haben – hat doch jeder.«
    Roseau zuckte. »Er versuchte mir einzureden, er sei …«, er hielt plötzlich inne.
    Wyatt lachte. »Sie haben Serrurier schön eingetunkt«, sagte er. »Er hat alle Hände voll zu tun mit Favel, aber das geht noch – mit ihm wird er fertig. Das hat er mir selbst gesagt. Aber er machte sich Sorgen wegen der Amerikaner auf Cap Sarrat; er weiß nicht, ob sie gegen ihn losschlagen werden oder nicht. Sie wissen natürlich, was geschieht, wenn sie das tun. Die Amerikaner und Favel werden Serrurier zwischen sich zerknacken wie eine Nuß.«
    »Was habe ich damit zu tun?« fragte Roseau unsicher.
    Wyatt lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Roseau mit gut gespieltem Entsetzen an. »Sie Dummkopf, Sie haben doch den Amerikanern den Vorwand geliefert, auf den sie gewartet haben. Dawson ist eine internationale Figur, und er ist Amerikaner. Commodore Brooks wird Serrurier in wenigen Stunden nach dem Verbleib Dawsons fragen, und wenn Serrurier ihn nicht lebend und unverletzt herbeischaffen kann, wird Brooks gewaltsame Schritte unternehmen, weil er weiß, daß er die öffentliche Meinung der Welt dann auf seiner Seite hat. Dawson ist genau die Handhabe, auf die die Amerikaner gewartet haben; sie können nicht zu den Waffen greifen, weil einige Amerikaner in Ihren Bürgerkrieg hineingeraten sind – so etwas können sie heute nicht mehr tun –, aber ein Anwärter auf den Nobelpreis, ein Mann von Dawsons Bedeutung, ist etwas anderes.«
    Roseau schwieg und zuckte nervös. Wyatt ließ ihn noch einige Sekunden zappeln und sagte dann: »Sie wissen genausogut wie ich, daß Dawson Ihnen nichts über Manning und Fuller erzählt hat. Ich weiß das, weil er nichts über sie weiß, aber Sie benutzen ihn, um mir Angst einzujagen. Ich will Ihnen etwas sagen, Sous-Inspecteur Roseau. Wenn Commodore Brooks Serrurier nach Dawson fragt, wird Serrurier St. Pierre auf den Kopf stellen und alles umkrempeln, um ihn zu finden, weil er weiß, wenn er ihn nicht findet, werden die Amerikaner durch die Hintertür hereinkommen und ihm einen Dolch in den Rücken stechen, gerade wenn er mit Favel im Handgemenge ist. Und wenn Serrurier entdeckt, daß Sous-Inspecteur Roseau in seiner Dummheit seine Vollmachten überschritten und Dawson halb totgeschlagen hat, gebe ich keinen Pfifferling mehr für Ihre Aussichten, noch länger als fünf Minuten weiterzuleben. Ich rate Ihnen, lassen Sie schleunigst einen Arzt für Dawson holen, und bewegen Sie ihn dazu, den Mund zu halten. Wie Sie das schaffen, ist Ihre Sache.«
    Er mußte fast lachen über Roseaus Gesichtsausdruck, als der über die Ungeheuerlichkeit seiner Schuld nachdachte. Roseau ließ schließlich den Mund zuschnappen und holte tief Luft. »Schaffen Sie diesen Mann in seine Zelle!« befahl er, und Wyatt spürte einen Griff an seiner Schulter, einen Griff, der ihm jetzt willkommener war, als er es vor fünf Minuten gewesen wäre. Nachdem er in seine Zelle gestoßen worden war, dauerte es eine lange Zeit, bis er aufhörte zu zittern. Dann setzte er sich hin, um über die unglaubliche Brillanz der Geschichte nachzudenken, die Roseau ihm abgenommen hatte.
    Er glaubte, daß er und Dawson vor Roseau sicher sein würden. Aber da war immer noch das Problem, wie sie herauskommen konnten, bevor der Hurrikan sie erreichte, und das würde nicht leicht sein – außer daß er Roseaus Angst noch etwas vertiefen könnte. Er hatte das Gefühl, daß er Roseau bald wiedersehen würde; dem Sous-Inspecteur würde einfallen, daß Wyatt behauptet hatte, mit Serrurier bekannt zu sein, und er würde sicher mehr darüber erfahren wollen.
    Er sah auf die Uhr. Es war sieben Uhr, und das Sonnenlicht flutete durch das kleine Fensterchen herein. Er hoffte, daß Causton so vernünftig sein würde, die anderen aus St. Pierre hinauszuschaffen – sogar zu Fuß könnten sie eine ganze Strecke zurücklegen.
    Plötzlich wurde er auf den Lärm draußen aufmerksam. Er dauerte schon an, seit er in die Zelle zurückgebracht worden war, aber er war so in Gedanken gewesen, daß er ihn nicht wahrgenommen hatte. Jetzt wurden ihm die Geräusche draußen auf dem Platz bewußt – das Aufheulen von starken Motoren, das Getrampel und das Gemurmel von vielen Männern, unterbrochen von rauhen Schreien –

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