Sog des Grauens
Roman, Tarpon, wurde in dem Jahr veröffentlicht, in dem Hemingway starb. Zu der Zeit war Dawson ein freischaffender Journalist, der für amerikanische Sportmagazine Artikel schrieb, etwa über den Ruhm der Regenbogenforelle oder was man empfindet, wenn man einen Grislybären im Visier hat. Er war nicht übermäßig erfolgreich damit und war daher ein hungriger Schriftsteller. Als Tarpon an die Spitze der Bestsellerliste gelangte, war niemand mehr überrascht als Dawson selbst. Da er aber die Unbeständigkeit des öffentlichen Geschmacks kannte, suchte er nach Möglichkeiten zur Konsolidierung seines Erfolgs und kam zu dem Schluß, daß gutes Schreiben allein nicht genügte – er mußte auch eine öffentlich bekannte Persönlichkeit sein.
Also legte er sich den Mantel um, der von Hemingway herniedergefallen war – er wollte der Typ des harten Mannes sein. Er schoß Elefanten und Löwen in Afrika; er betrieb Sportfischerei im Karibischen Meer und vor den Seychellen; er bestieg einen Berg in Alaska; er flog sein eigenes Flugzeug und hatte, wie Hemingway, einen spektakulären Unfall, und es war komisch genug, daß immer Fotografen zur Stelle waren, um diese Ereignisse festzuhalten.
Aber er war kein Hemingway. Die Löwen, die er erschoß, waren arme, verängstigte, von einer Treiberkette eingekreiste Tiere, und er tötete nie einen mit einem einzigen Schuß. Bei seinem Angriff auf den Berg in Alaska wurde er von erfahrenen und gut bezahlten Bergsteigern praktisch hinaufgetragen, und er flog seine Maschine höchst ungern selbst, weil es ihm angst machte; er flog sie nur, wenn es notwendig schien, um sein Image aufzupolieren. Aber an der Sportfischerei hatte er tatsächlich Gefallen gefunden und war darin gar nicht ungeschickt. Und trotz aller anderen Dinge blieb er ein guter Schriftsteller, obwohl er ständig Angst hatte, daß er nachlassen und mit seinem nächsten Buch durchfallen könnte.
Solange sein Image glänzte, solange sein Name in Schlagzeilen in der Weltpresse erschien, solange viel Geld auf seinem Bankkonto einlief, fühlte er sich verhältnismäßig glücklich. Es tat ihm gut, in den Hauptstädten der Welt bekannt zu sein und auf Flugplätzen von Presseleuten und Fotografen empfangen und nach seiner Meinung zu Weltereignissen gefragt zu werden. Noch nie war er in einer Situation gewesen, wo nicht die bloße Erwähnung seines Namens genügt hätte, um ihm Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, und daher nahm er es gelassen hin, als er mit Wyatt in eine Zelle gesperrt wurde. Er war schon früher im Gefängnis gewesen – die Welt hatte sich oft über die Eskapaden Big Jim Dawsons amüsiert – aber nie länger als einige Stunden. Eine kleine Geldstrafe, eine Spende für verwaiste Polizistenkinder, eine höfliche Entschuldigung und der Name Jim Dawson brachten ihm die Freiheit schnell wieder. Er hatte keinen Grund zu der Annahme, daß es diesmal anders sein könnte.
»Ich könnte gut einen Drink haben«, sagte er verdrossen. »Diese Dreckskerle haben mir meine Flasche weggenommen.«
Wyatt untersuchte die Zelle. Sie befand sich in einem alten Gebäude, und es gab hier nicht so etwas Modernes wie enge Stahlgitter; aber die Steinwände waren dick und massiv, und die Fenster waren klein und hoch oben. Als er einen Hocker heranzog und sich daraufstellte, konnte er kaum hinaussehen, und dabei war er ein recht großer Mann. Er sah die dunklen Formen von Gebäuden auf der anderen Seite des Platzes, und er schätzte, daß die Zelle sich im zweiten Stock des Gebäudes befinden mußte, in dem der Poste de Police untergebracht war.
Er stieg von dem Hocker herunter und fragte: »Warum in Teufels Namen mußten Sie eine Pistole bei sich haben?«
»Ich habe immer eine Pistole bei mir«, sagte Dawson. »Ein Mann in meiner Stellung kommt oft in Schwierigkeiten, wissen Sie. Es gibt immer Verrückte, denen nicht gefällt, was ich schreibe, und Kerle, die beweisen möchten, daß sie härtere Männer sind als ich. Ich habe auch einen Waffenschein. Ich erhielt vor etwa zwei Jahren eine Menge Drohbriefe, und es passierten merkwürdige Dinge in der Umgebung meines Hauses, deshalb besorgte ich mir die Pistole.«
»Ich würde nicht sagen, daß das eine gute Idee war, nicht einmal in den Staaten«, sagte Wyatt. »Aber hier hat es uns ganz gewiß in die Patsche gebracht. Ihr Waffenschein wird da keinen gnädig stimmen.«
»Es wird nicht schwer sein herauszukommen«, sagte Dawson obenhin. »Ich muß nur warten, bis ich
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