Sog des Grauens
durch die Luft; das Geknatter der Infanteriewaffen war pausenlos. Einmal landete eine schlecht gezielte Mörsergranate nur fünfzig Meter vor Causton, und er zog den Kopf ein und spürte das Aufschlagen von Erdklumpen rings um sich.
Er schätzte, daß dies die Hauptkampflinie war und daß es den Regierungsstreitkräften schlechtging. Warum hätte sonst die Armee mit solcher Hast eine zweite Verteidigungslinie aus schlecht ausgerüsteten Deserteuren aufgestellt? Die Stellung war allerdings nicht schlecht gewählt; wenn die erste Linie nachgab, mußten Favels Leute vierhundert Meter weit über offenes Gelände vorgehen. Aber dann dachte er an die lumpigen zehn Schuß Munition, die man ihm gegeben hatte – vielleicht würden Favels Leute es doch nicht so schwer haben. Es hing davon ab, ob die Regierungstruppen dort drüben sich geordnet zurückziehen konnten.
Nichts rührte sich für eine lange Zeit, und Causton lag in der heißen Sonne in dem Loch und wurde tatsächlich schläfrig. Von Soldaten hatte er gehört, daß der Krieg ein Zeitraum sei, in dem lange Strecken Langeweile durch kurze Augenblicke von Angst unterbrochen würden, und er war gern bereit, es zu glauben, obwohl er es selbst noch nicht erlebt hatte. Aber seine Tätigkeit hatte hauptsächlich daraus bestanden, von einem Brennpunkt zum anderen zu flitzen, und die Zwischenräume wurden damit ausgefüllt, von den Fleischtöpfen rund eines Dutzends verschiedener Länder zu probieren. Er fand diese kleine Probe aus dem Soldatenleben entschieden langweilig.
Gelegentlich blickte er zurück, um zu sehen, ob sich die Fluchtgelegenheiten verbessert hatten, aber da änderte sich nie etwas. Der Sergeant starrte ihn mit steinernem Gesicht an, und die ›Rückendeckung‹ war immer in Stellung. Der Hauptmann paffte hastig Zigaretten und suchte zwischendurch mit einem Feldstecher die Front ab. Um sich bei dem Sergeanten einzuschmeicheln, in der Hoffnung auf spätere Vergünstigungen, warf Causton ihm einmal eine Zigarette zu. Der Sergeant streckte einen Arm aus, sah die Zigarette verwundert an, lächelte dann und zündete sie an. Causton lächelte zurück und wandte sich dann wieder nach vorn; er hoffte, daß damit ein dünnes Freundschaftsband angeknüpft war.
Bald darauf schwoll der Tumult an der Front zu einem Crescendo an, und Causton erspähte die ersten menschlichen Bewegungen – einige kleine rennende Figuren vor den Wänden der fernen Häuser. Er strengte seine Augen an und wünschte, er hätte des Hauptmanns Feldstecher haben können. Von hinten hörte er die Stimme des Hauptmanns scharfe Befehle erteilen und das nähere blecherne Schreien des Sergeanten, aber er achtete nicht darauf, denn er hatte eben die entfernten Figuren als Regierungssoldaten erkannt, und sie rannten, so schnell sie konnten – die Front war zusammengebrochen.
Der Mann, der ihm am nächsten lag, schob sein Gewehr nach vorn und lud durch, und Causton hörte, wie sich das metallische Klicken die Reihe entlang fortpflanzte. Aber er ließ seinen Blick nicht von der Szene, die vor ihm lag. Die erste blaugekleidete Figur war halb über den Streifen – noch etwa zweihundert Meter entfernt –, als der Mann plötzlich die Arme hochwarf und hilflos vornüberfiel, als wäre er über etwas gestolpert. Er fiel zu einem kleinen Häufchen zusammen, bäumte sich auf und lag dann still.
Das Feld war nun voll von rennenden Männern, die völlig unordentlich zurückwichen. Manche liefen nach ihrer Kampferfahrung, in kurzen, geduckten Zickzackbewegungen, ständig die Richtung wechselnd, um den Schützen hinter ihnen das Zielen zu erschweren, das waren die intelligenteren. Die Dummen oder die vor Angst Wahnsinnigen rannten geradeaus, und es waren diese, die von den ratternden Maschinengewehren und den Gewehren herausgepickt wurden.
Causton stellte plötzlich erstaunt fest, daß er unter Feuer lag. In der Luft um ihn herum hörte er ein ständiges Zwitschern, das er zuerst nicht deuten konnte. Aber als der Hund am Rande seines Gesichtsfeldes plötzlich mit seinem Hinterbein zuckte, als ob er im Traum Hasen jagte, und aus dem trockenen Boden zehn Meter vor ihm eine Reihe von Staubfontänen aufspritzten, zog er sich in sein Loch zurück wie eine Schildkröte in ihren Panzer. Seine journalistische Neugier erwies sich jedoch als stärker, und er hob den Kopf noch einmal, um zu sehen, was vorging.
Mörsergranaten begannen jetzt auf dem Feld einzuschlagen und riesige Staubwolken aufzuwirbeln, die
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