Sog des Grauens
wohl geschehen war. Er blickte unruhig nach dem stahlblauen Himmel, als ob er ein neuerliches Stahlgewitter erwartete, und kratzte sich nachdenklich die Wange, während er den Sergeanten beobachtete.
Plötzlich setzte das Gewehrfeuer wieder ein. Ein Maschinengewehr schoß in erschreckender Nähe und aus einem unerwarteten Winkel. Ein Kugelhagel fegte über die Stellung, und der Sergeant tanzte wie ein Kreisel, von Kugeln durchsiebt, und fiel in ein Schützenloch. Causton zog den Kopf ein und lauschte nach dem schweren Feuerhagel, der von links und von hinten kam.
Die Stellung war umgangen worden.
Er hörte die Schreie und die Schritte, als die übrigen Männer aufsprangen und wegrannten, aber er blieb liegen. Er hatte das Gefühl, sie liefen in ihr Verderben, und er hatte auch sowieso keine Lust mehr, noch länger in Serruriers Armee zu dienen; je weiter die Entfernung zwischen dieser Einheit und ihm sein würde, desto wohler würde er sich fühlen. So blieb er in dem Loch liegen und stellte sich tot.
Das Maschinengewehrfeuer hörte plötzlich auf, aber er lag noch eine Viertelstunde länger dort, bevor er auch nur seine Nase über den Grund erhob. Als er es tat, sah er als erstes eine lange Kette von Männern aus den Häusern auf der anderen Seite des Feldes auftauchen – Favels Leute kamen, um aufzuräumen. Eilig rutschte er aus dem Loch heraus und kroch auf dem Bauch nach rückwärts zu den Hütten. Jeden Augenblick erwartete er das Einschlagen von Kugeln. Aber er hatte genug Deckung, denn der Boden war von Mörsern aufgewühlt worden, und er fand es nicht schwer, von Trichter zu Trichter zu kriechen, um nicht gesehen zu werden.
Schließlich gelangte er in den Schutz der Hütten und blickte von dort zurück. Favels Männer hatten das Feld fast überquert, und er hatte das Gefühl, sie würden auf alles schießen, was sich bewegte. Daher mußte er sich wohl einen sichereren Platz suchen. Er hörte den Lärm von der linken Flanke – jemand leistete dort Widerstand, aber der würde zusammenbrechen, sobald diese ankommenden Soldaten auf ihn stießen. Er machte sich nach rechts davon, von einer Hütte zur nächsten huschend und immer bestrebt, weiter nach rückwärts zu kommen.
Im Laufen riß er sich die Bluse vom Leib und rieb an seinem Gesicht. Vielleicht würde der Anblick eines weißen Gesichts den Finger am Abzug zögern lassen – man mußte es wenigstens versuchen. Er sah nichts von Regierungstruppen, und alles deutete darauf hin, daß Favel im Begriff war, in der Mitte durchzubrechen – was konnte ihn auch daran hindern? Es schien nicht mehr viel dazusein.
Augenblicklich kam ihm eine Idee, und er faßte an die Tür einer der Hütten. Es war ihm aufgegangen, daß es nicht viel Zweck hatte wegzulaufen; schließlich wollte er ja Serruriers Streitkräfte gar nicht einholen. Es würde viel besser sein, sich zu verbergen und dann mitten in Favels Armee wieder aufzutauchen.
Die Tür war nicht verrammelt. Er drückte sie auf und ging hinein. Die Hütte war verlassen; sie bestand nur aus zwei Räumen, und man konnte ohne Mühe feststellen, daß niemand anwesend war. Er sah sich um, und sein Blick fiel auf eine Waschschüssel auf einem wackligen Ständer unter einem von Fliegen beschmutzten, abblätternden Spiegel. Neben dem Spiegel hing auf der einen Seite ein schönfarbiger Öldruck einer Madonna und auf der anderen Seite das übliche offizielle Porträt von Serrurier.
Schnell riß er das idealisierte Foto von Serrurier herunter und stieß es mit dem Fuß unters Bett. Wenn jemand ihn überraschte, sollte er nicht auf falsche Gedanken kommen. Dann goß er lauwarmes Wasser in die Schüssel und begann sein Gesicht zu waschen, seine Ohren dabei ständig nach draußen gerichtet. Nach fünf Minuten erkannte er entsetzt, daß er immer noch ein hellhäutiger Neger war; die Schuhkrem war wasserfest und ließ sich nicht entfernen, so hart er auch rieb. Viele der Einwohner von San Fernandez hatten noch hellere Haut und hatten auch europäische Gesichtszüge.
Da kam ihm eine Idee. Er knöpfte sein Hemd auf, um seine Brust anzusehen. Noch vor zwei Tagen war ihm seine Blässe etwas peinlich gewesen, aber jetzt dankte er Gott, daß er keine Lust zum Sonnenbaden gehabt hatte. Er zog sein Hemd aus und bereitete sich auf eine lange Wartezeit vor.
Was ihn hinauslockte, war das Brummen eines Motors. Er dachte, wer in dieser Gegend mit einem Fahrzeug herumfuhr, würde zivilisiert genug sein, ihn nicht beim ersten Anblick
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