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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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langsam vom Wind abgetrieben wurden. Der erste der Fliehenden war schon recht nahe, und Causton sah seinen weit offenen Mund und den starren Blick und hörte das Stampfen seiner Stiefel auf dem trockenen Boden. Er war keine zehn Meter mehr entfernt, als er fiel. Arme und Beine schlenkerten durch die Luft, und als er zur Ruhe kam, sah Causton das klaffende Loch in seinem Hinterkopf.
    Der Soldat hinter ihm machte einen Bogen und rannte weiter, seine Beine arbeiteten wie Motorkolben. Er sprang über Causton weg und rannte von panischer Angst getrieben weiter. Dann kam ein anderer – und noch einer – und noch mehr – alle preschten in Panik durch die Auffangstellung hindurch. Der Sergeant schrie laut, als die Männer in den Schützenlöchern unruhig wurden und den Anschein erweckten, als wollten sie auch weglaufen, und in der Nähe knallte ein Schuß. Wir werden erschossen, wenn wir weglaufen, und – später – erschossen, wenn wir nicht weglaufen, dachte Causton. Es war besser, nicht wegzulaufen – noch nicht.
    Über eine halbe Stunde lang kamen die demoralisierten Überlebenden von der vorderen Front vorbei, und bald hörte Causton vereinzelte Schüsse hinter sich. Die Überlebenden wurden wieder in Reih und Glied gebracht. Er starrte über das Feld und erwartete den Angriff von Favels Armee zu sehen, aber nichts tat sich, außer daß das Mörserfeuer für eine Weile aufhörte und die Einschläge dann wieder einsetzten, diesmal direkt in ihrer Stellung. In dieser kurzen Zeitspanne, als der Rauch vom Schlachtfeld weggeweht wurde, sah Causton Dutzende von Leibern auf dem Feld verstreut und hörte einige entfernte Rufe und Wehgeschrei.
    Dann hatte er keine Zeit mehr, auch nur etwas anderes zu denken, als die Granaten wie ein Stahlhagel herniederregneten. Er drückte sich in sein Schützenloch und grub seine Finger in die ekelerregenden Abfälle, als der Boden unter ihm bebte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, obwohl es, nach späteren Überlegungen, nicht länger als fünfzehn Minuten gedauert haben konnte. Aber zu der Zeit dachte er, es würde nie enden. Jesus, mein Gott! betete er; laß mich hier heil herauskommen.
    ***
    Das Sperrfeuer endete so plötzlich, wie es angefangen hatte. Causton war benommen und lag eine Weile in seinem Schützenloch, bevor er den Kopf heben konnte. Als er es tat, erwartete er die erste Welle von Favels Angriff vor sich zu sehen, und strengte sich an, durch den sich langsam verziehenden Staub und Rauch zu spähen. Aber da war immer noch niemand – das Feld war leer, bis auf die Gefallenen.
    Langsam sah er sich um. Die Blechhütten direkt hinter der Stellung waren zerstört, manche völlig, und der Boden war mit Kratzern übersät. Des Hauptmanns Jeep hatte ein Hinterrad verloren, und er brannte heftig. Vom Hauptmann selbst war nichts zu sehen. In der Nähe lag der Torso eines Mannes – ohne Kopf, Arme und Beine –, und Causton überlegte, ob das wohl der Sergeant war. Er streckte seine schmerzenden Beine aus und dachte, wenn er weglaufen wollte, dann war dies die beste Zeit dafür.
    Aus dem nächsten Schützenloch stand ein Mann auf, sein Gesicht grau von Staub und Angst. Sein Blick war glasig und ausdruckslos, als er sich mühsam aufrichtete und davonschwankte. Der Sergeant tauchte über dem Erdboden auf und schrie ihn an, aber der Mann nahm keine Notiz von ihm, daher hob der Sergeant sein Gewehr und schoß, und der Mann klappte komisch zusammen.
    Causton duckte sich wieder in sein Loch, als eine Tirade in vermanschtem Französisch aus dem Schützenloch des Sergeanten erscholl. Er mußte den Mann bewundern – das war ein zäher Berufssoldat, der kein Verdrücken oder Weglaufen vor dem Feind durchgehen ließ – aber er war verdammt unbequem.
    Er sah nach, wie viele Köpfe sich erhoben, und zählte flüchtig. Er war erstaunt, wie viele von den Männern das Trommelfeuer überlebt hatten. Er hatte gelesen, daß gut eingegrabene Soldaten enormen Artilleriebeschuß überleben konnten – das war die Tatsache, die den ersten Weltkrieg so verlängerte – aber das persönlich zu erleben –, war eine andere Sache. Er blickte über das Feld, konnte aber keine Bewegung entdecken, die auf einen Angriff hindeutete. Sogar das Gewehrfeuer hatte aufgehört.
    Er drehte sich um und sah den Sergeanten aus seinem Loch steigen und kühn die Front ablaufen, um die Männer zu überprüfen. Immer noch kam kein Schuß von der anderen Seite, und Causton begann sich Gedanken zu machen, was

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