Sohn der Dunkelheit
Nächten im Kampfeinsatz, aber es wurde regelmäßig gewaschen – und würde auch weiter verwendet werden. Kleidung war schließlich nichts als das Fell, das dem Vampir bei der Geburt fehlte.
Sie diente nicht der Zierde – zumindest nicht bei ihm.
Xcor wandte sich dem Spiegel zu und kommentierte seinen Anblick mit einem verdrossenen Murren.
Der letzte Lesser war verteufelt gut im Umgang mit dem Messer gewesen, vermutlich durch ein Leben auf der Straße. Sie hatten sich einen erfrischenden Kampf geliefert. Selbstverständlich hatte Xcor gesiegt, aber es war ein berauschendes Gefühl gewesen, einen würdigen Gegner vor sich zu haben.
Leider brachte er ein Souvenir von diesem Kampf mit nach Hause: Die Scharte zog sich über seinen Bizeps bis seitlich über die Schulter. Ziemlich hässlich. Doch Xcor hatte schon Schlimmeres erlebt.
Und deshalb wusste er, wie man sich selbst behandelte. Auf der Ablage über dem Waschbecken standen diverse Utensilien, die er und seine Krieger von Zeit zu Zeit benötigten: eine Flasche Wundbenzin, ein Einwegfeuerzeug, mehrere Nähnadeln, eine Spule mit schwarzer Angelschnur.
Xcor zog eine Grimasse, als er sein Hemd abstreifte und der zerfetzte kurze Ärmel über die Wunde glitt und sie aufklaffen ließ. Er biss die Zähne zusammen und erstarrte, während der Schmerz den Punkt erreichte, an dem sich sein Magen wie eine Faust zusammenballte.
Dann atmete er tief durch und wartete, bis der Schmerz wieder abebbte und er nach dem Wundbenzin greifen konnte. Er schraubte die weiße Kappe ab, beugte sich über das Waschbecken, hielt die Luft an und …
Der Laut, den er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß, war halb Knurren, halb Stöhnen. Und als ihm die Sicht verschwamm, schloss er die Augen und lehnte sich mit der Hüfte gegen den Waschbeckenrand.
Er sog scharf die Luft ein, und das Wundbenzin brannte in seiner Nase, doch er konnte die Flasche noch nicht wieder verschließen: Seine Feinmotorik war fürs Erste dahin.
Um den Kopf frei zu bekommen, unternahm er einen Spaziergang ins Schlafzimmer und gönnte seinem Körper eine Verschnaufpause. Doch der Schmerz hing an seinem Arm wie ein Pitbull, der versuchte, ihn bei lebendigem Leib zu verspeisen. Xcor fluchte ausgiebig.
Schließlich landete er im Erdgeschoss. Auf der Suche nach Schnaps.
Normalerweise trank er nicht, doch jetzt inspizierte er die Stofftasche mit den Flaschen, die Zypher aus dem Lagerhaus mitgebracht hatte. Der Soldat genehmigte sich gern mal ein Schlückchen, und obwohl Xcor nichts davon hielt, hatte er längst gelernt, dass man im Umgang mit aggressiven, rastlosen Kriegern gewisse Zugeständnisse machen musste.
In einer Nacht wie dieser war er froh darüber.
Whiskey? Gin? Wodka?
Was spielte das für eine Rolle.
Wahllos schraubte er eine Flasche auf und legte den Kopf in den Nacken. Dann öffnete er den Mund und goss sich das Zeug hinein, obwohl seine Kehle brannte, als stünde sie in Flammen.
Auf dem Weg zurück in den ersten Stock trank Xcor weiter, und noch mehr, während er ein wenig umherwanderte und auf das Einsetzen der Wirkung wartete.
Und noch mehr.
Er wusste nicht genau, wie lange es dauerte, aber irgendwann war er zurück im hell erleuchteten Bad und fädelte einen halben Meter schwarze Angelschnur durch das Öhr einer dünnen Nadel. Dann blickte er in den breiten, rechteckigen Spiegel über dem Waschbecken und war froh, dass ihn der Lesser am linken Arm erwischt hatte. Auf diese Weise konnte er sich selbst behandeln. Als Rechtshänder hätte er für die andere Seite Hilfe gebraucht.
Der Alkohol war eine enorme Erleichterung. Er zuckte kaum, als er die eigene Haut durchstach und mithilfe der Zähne einen ordentlichen Knoten zuzog.
Was war Alkohol nur für eine bemerkenswerte Substanz, dachte er, während er eine Reihe von Stichen setzte. Taubheit hatte von ihm Besitz ergriffen, und er fühlte sich wie in einem warmen Bad. Sein Körper entspannte sich, der Schmerz war zwar noch da, aber sehr gedämpft.
Langsam. Präzise. Gleichmäßig.
An der Schulter zurrte er den letzten Knoten fest, dann zog er den Faden aus der Nadel, legte alles an seinen angestammten Platz zurück und drehte die Dusche auf.
Er streifte die Springerstiefel ab, stieg aus der ledernen Hose und stellte sich unter den Wasserstrahl.
Diesmal war es ein Seufzer der Erleichterung: Als das warme Wasser seine wunde Schulter umspülte, den steifen Nacken, die verspannten Oberschenkel, war das Wohlbefinden fast so groß wie
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