Sohn der Dunkelheit
wenigstens war sie kühler.
Scheiße.
Er hatte die Zigaretten in der verdammten Jacke vergessen. Auf dem Boden. Vor dem OP .
Fluchend stapfte er umher und hätte am liebsten gegen irgendetwas geschlagen – aber dann hätte er auch noch gebrochene Knöchel in der Hand erklären müssen.
Und was V gerade mitbekommen hatte, reichte schon vollkommen aus.
Er schob die Hände in die Taschen seiner ledernen Hose und stutzte, als er rechts auf etwas Hartes stieß.
Saxtons Feuerzeug. Das Geburtstagsgeschenk.
Er holte es heraus, drehte es wieder und wieder in der Hand und dachte daran, was Qhuinn da gerade im Flur gesagt hatte.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er diese Worte in Gold gefasst und an einem Ehrenplatz in seinem Herzen verwahrt, um diese Kostbarkeit sein Leben lang zu hüten.
Über viele Jahre hätten die Momente vor der Hütte und im Flur gereicht, um allen Groll aus der Welt zu schaffen, die Mühsal, den Schmerz, all das hätten die Geständnisse fortgewischt, und Blay hätte sich Qhuinn wie eine Jungfrau darbieten können.
Ein neuer Start.
Alles wäre vergeben gewesen, mehr noch, vergessen.
Doch so war es nicht mehr.
Mann, er war vermutlich zu jung für diese reife Einsicht, aber das Leben richtete sich nun einmal nicht nach Kalendertagen, sondern nach Erfahrungen. Und wie er hier alleine in der Tiefgarage stand, war er im Geiste ein Greis: Vorbei die Zeit des Optimismus und der hoffnungsfrohen Naivität, mit der die Jugend dem Leben entgegenblickte.
Die Jugend, die noch glaubte, dass Wunder nicht unmöglich waren … sondern eben nur ungewöhnlich.
Zum Glück war V im richtigen Moment erschienen.
Sonst wären ihm vielleicht noch die drei kleinen Worte entschlüpft – und hätten ihn zu einem Schicksal verdammt, das er nicht einmal erahnen konnte.
Schlechter Zeitpunkt. Schlechter Ort.
Für dergleichen.
Für immer.
24
iAm behielt seine Pistole bei sich, während er in der Wohnung auf und ab lief – obwohl es äußerst unwahrscheinlich war, dass sich eine zweite liebestolle Nackte in ihr trautes Heim verirrte.
Mist, er sehnte sich nach rotem Rauch. Nur ein bisschen, um die Nerven zu beruhigen.
Denn im Moment war ihm danach, irgendjemandem wehzutun.
Nur gut, dass kein Opfer zur Hand war, an dem sich seine Aggression entladen konnte: sein Bruder wurde bereits von der Migräne gemartert, und diese arme, verbrauchte Tante, die sie hier rausgeschmissen hatten, war ohnehin schon bestraft. Der Wachmann wäre ein geeigneter Kandidat gewesen – aber der Wichser hatte seit einer Stunde Dienstschluss, und iAm würde Trez hier nicht hilflos zurücklassen, nur um seine Rachgier an einem minderbemittelten …
Ein leises Rauschen drang durch die Wasserrohre.
Die Toilettenspülung in Trez’ Badezimmer. Schon wieder.
Und dann ein gedämpftes Fluchen und das Quietschen des Bettgestells, als Trez sich zurück auf sein Lager legte.
Der Ärmste.
iAm trat an das Panoramafenster und blickte auf den Fluss und den Teil von Caldwell am gegenüberliegenden Ufer. Er stemmte die Hände in die Hüften und ging in Gedanken die Möglichkeiten durch, wohin sie ziehen konnten. Es war eine kurze Liste. Verdammt, einer der größten Vorzüge des Commodore war die vermeintliche Sicherheit gewesen. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Alarmanlage einzuschalten.
Ein Fehler.
Sie brauchten eine sichere Bleibe. Geschützt. Uneinnehmbar.
Besonders wenn sein Bruder fortfuhr, in der Gegend rumzuvögeln, und AnsLai weitere » diplomatische « Kurzbesuche bei ihnen einplante.
iAm setzte seine Wanderung fort. Es ließ sich nicht leugnen, dass sich der Zustand seines Bruders verschlechterte. Das mit dem Sex ging schon seit Jahren so – und lange hatte iAm das einfach einem gesunden männlichen Geschlechtstrieb zugeschrieben.
Etwas, das er an sich selbst manchmal vermisste.
Andererseits hatte sein Bruder genug Frauen für sie beide gevögelt.
Doch in den letzten Monaten hatte diese Sexbesessenheit immer mehr die Züge einer Sucht angenommen – und das war vor dem Besuch des Hohepriesters gewesen. Wenn sich die Sache mit AnsLai zuspitzte und die s’Hisbe den Druck auf seinen Bruder erhöhte, würde er noch weiter ins Extrem gehen.
Scheiße, es kam ihm vor, als stünde er an einem Bahnübergang, und von einer Seite näherte sich ein Auto, von der anderen ein Güterzug. Ein schrecklicher Unfall stand bevor, und er konnte nichts dagegen tun. Ihm blieb nur, tatenlos zuzusehen. Beziehungsweise schreiend
Weitere Kostenlose Bücher