Sohn der Dunkelheit
wusste ganz genau, wo er seine Jäger hinschicken musste – und weil ihn eine Adelsfamilie adoptiert hatte, dezimierte er die Oberschicht.
Aber anscheinend waren Papi und sein Goldschatz in einen Zwist geraten.
Scheiße – die Vorstellung, dass Lash seinen Bruder gefoltert hatte, erweckte in Qhuinn den Wunsch, ihn gleich noch einmal umzubringen.
Als Luchas stöhnte und einen tiefen Atemzug tat, hob Qhuinn die Hand, um ihm … die Schulter zu tätscheln oder etwas Vergleichbares. Aber er hielt sich zurück. » Hör zu, du musst nicht reden. «
Luchas sah ihn mit blutunterlaufenen Augen an. » Er hat mich am Leben gehalten … wegen dem … was ich dir angetan habe … «
Tränen quollen aus den grauen Augen und kullerten auf die Transportliege, die Reue seines Bruders vermischte sich mit dem körperlichen Schmerz und der Benommenheit wegen der Narkose.
Denn anders konnte Qhuinn sich diese Tränen nicht erklären. So hatte man sie nicht erzogen. Etikette ging über Gefühle.
Immer.
» Die Ehrengarde … « Jetzt weinte Luchas richtig. » Qhuinn … es tut mir so leid … so leid … «
Wir sollen ihn nicht töten!
Qhuinn blinzelte und erinnerte sich an die Prügel, die er am Straßenrand bezogen hatte, an die schwarz vermummten Gestalten, die ihn umzingelt und auf ihn eingedroschen hatten, während er versuchte, Kopf und Weichteile zu schützen. Und dann ging es hoch bis an die Pforte zum Schleier, wo er seine Tochter traf.
Es war merkwürdig, wie der Kreis sich schloss. Und wie manche Tragödie tatsächlich zu etwas Gutem führte.
Jetzt berührte Qhuinn seinen Bruder doch und legte ihm die Dolchhand auf die Schulter. » Ganz ruhig, ist schon gut. Keine Sorge, es ist okay … «
Er war sich nicht sicher, ob das stimmte, aber was hätte er sagen sollen, wo dieser Kerl jetzt zusammenbrach?
» Er wollte … mich umdrehen … « Luchas holte tief Luft. » Er hat mich … zurückgeholt. Ich erwachte … im Wald – seine Männer schlugen mich … quälten mich … steckten mich in das … Blut. Ich wartete darauf, dass sie zurückkamen – doch sie kamen nie. «
» Du bist in Sicherheit. « Etwas anderes fiel Qhuinn nicht ein. » Mach dir keine Sorgen – hier kann dir niemand etwas anhaben. «
» Wo … bin ich … «
» Im Trainingszentrum der Bruderschaft. «
Luchas’ Augen weiteten sich. » Ist das wahr? «
» Ja. «
» Tatsächlich … « Der Ausdruck des Bruders veränderte sich, und die einstmals gefälligen Züge verzerrten sich noch mehr. » Was ist mit Mahmen. Papa. Solange? «
Qhuinn schüttelte nur den Kopf.
Daraufhin gewann die schwache Stimme plötzlich an Kraft. » Bist du dir sicher, dass sie tot sind? Bist du dir wirklich sicher? «
Als wollte er nicht, dass sie ein ähnliches Schicksal erlitten wie er.
» Ja, wir sind uns sicher. «
Luchas seufzte und schloss die Augen.
Scheiße, Qhuinn fühlte sich ein bisschen mies, weil er gelogen hatte, denn auch wenn die Apparate am Bett seines Bruders einen stabilen Zustand signalisierten, konnte man nicht sicher sein. Und wenn er nicht durchkam, sollte er nicht mit dem Gedanken ins Grab gehen, dass nach aktuellem Erkenntnisstand niemand sicher sagen konnte, wie viele andere die Lesser sich geholt hatten – oder wann.
In der Stille betrachtete Qhuinn die Hand seines Bruders. Der Siegelring steckte noch am Finger – vielleicht, weil der Knöchel darüber so angeschwollen war, dass man ihn hätte abschneiden müssen.
Das in Gold geprägte Wappen trug die heiligen Symbole, mit denen sich nur die Gründerfamilien auszeichnen durften. Und ja, wow, es war total geistesgestört – und völlig unangebracht –, ihm das verdammte Ding zu neiden. Nach allem, was geschehen war, hätte man doch meinen sollen, dass Qhuinn abgestoßen sein müsste.
Doch vielleicht war es nur ein Reflex, ein Nachhall aus den Jahren, in denen er gegen jede Vernunft gehofft hatte, doch noch einen eigenen zu bekommen.
» Qhuinn? «
» Ja? «
» Es tut mir leid … «
Qhuinn schüttelte den Kopf, obwohl Luchas die Augen geschlossen hatte. » Mach dir keine Sorgen. Du bist in Sicherheit. Du bist zurück. Alles wird gut. «
Die Brust seines Bruders hob und senkte sich, als wäre er erleichtert, doch Qhuinn rieb sich das Gesicht. Die Sache war ihm unheimlich. Sowohl der Zustand seines Bruders – als auch seine Rückkehr.
Dabei wollte er nicht, dass Luchas tot war. Gefoltert wurde. Sich in einem Zustand ewiger Erstarrung befand.
Aber er hatte nun einmal einen
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