Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)
so außer Fassung erlebt. So erschüttert. Und so betrunken.
Sie umklammerte die kleine braune Bibel, schloss die Augen und senkte den Kopf, als der Jet in den strahlend blauen New Yorker Himmel hinaufschoss.
»Purvis …« Sie folgte Jasons Blick, der auf das schmale, zerlesene Buch in ihrer Hand gerichtet war. »… du glaubst an die Macht des Gebetes …« Seine blutunterlaufenen Augen sahen sie flehend an. Jasons Stimme war so leise, dass die Worte kaum zu verstehen waren. »Sprich eines für mich.«
Communications Network,
London
Dylan Weavers Wurstfinger flogen mühelos über die Tastatur seines Laptops. Auf dem Bildschirm war das Foto des verbrannten Sportwagens und die Geschichte von Nicks Tod auf Seite fünf von The Sun zu sehen. Dann holte er zum sicher zehnten Mal innerhalb der letzten Stunde sein E-Mail-Postfach mit Nick De Veres Mail vom gestrigen Abend, 21 . 19 Uhr GMT , auf den Schirm. Er klickte auf Speichern unter und dann auf Starten .
»Komm schon, Baby«, knurrte er.
Auf seinem Laptop-Bildschirm blinkte ein Icon auf. Verschlüsselt! Weaver knallte den Laptop zu. Er schnappte sich sein Handy, scrollte die Telefonliste nach unten und wählte eine Nummer.
XXVI
LILIAN
New London City Airport,
London
S chneeregen peitschte auf den Asphalt der Landebahn hernieder. Jason stand in der Ausstiegsluke der Global Express und stierte auf den grauen, wolkenverhangenen Himmel über London. Es war Heiligabend, und sein Kopf fühlte sich an, als müsse er gleich explodieren.
»Dieses verdammte englische Wetter«, fluchte er, während er widerwillig die Treppe hinunterstapfte. Er ging über den Asphalt in Richtung der Ankunftshalle, gefolgt von Levine, der sein Gesicht mit Jasons Aktenkoffer vor dem peitschenden Regen schützte, und der unerschütterlichen Jontil Purvis.
Eine hochgewachsene, hagere, hausbackene Frau in den späten Sechzigern, die eine Regenhaube aus Plastik und einen Tweedmantel mit Hahnentrittmuster trug, kam mit zwei Schirmen auf sie zugeeilt.
»Jason, Jontil …«, rief sie ungeduldig mit einem britischen Upper-Class-Akzent. »Folgt mir, der Bentley wartet.« Sie umarmte Jontil, dann hielt sie Jason einen Schirm hin.
»Beeilung!«, schnauzte sie.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Tante Rosemary«, knurrte Jason.
Im nächsten Moment stürmte eine Horde von Pressefotografen auf sie zu.
»Verdammt, Tante Rosemary!«, fluchte Jason. »Ich hatte gesagt, keine Presse.«
Rosemary drehte sich um und funkelte ihn an.
»Es geht um Nicholas, Jason«, sagte sie scharf. »Er war Tagesgespräch in London, als er noch am Leben war – und er ist es jetzt, wo er tot ist. Er ist der Bruder des ehemaligen britischen Premierministers, was glaubst du denn …«
Jason stand immer noch da und starrte auf den Schirm.
»Also, jetzt komm!«, blaffte sie. Sie blickte sich um und maß Levine, Mitchell und Purvis mit einem kritischen Blick. »Wozu brauchst du drei Assistenten?« Sie schürzte die Lippen. »Ich hätte es wissen sollen. Typisch Amerikaner – können nichts tun, ohne gleich eine Entourage mitzuschleppen.«
Sie drehte sich mit einem Ruck um und stach dabei Jason mit ihrem Schirm fast ein Auge aus. Sogleich wandte sie sich wieder ihrem Neffen zu. »Nun, du bist jetzt in Old England. Hier heißt es, selbst ist der Mann. Jetzt nimm endlich.« Sie hielt ihm erneut den Schirm hin. »Glaubst du, ich stehe hier zum Vergnügen herum?«
Kleinlaut nahm Jason den Schirm.
»Und glaub ja nicht, es würde bei der Beerdigung besser sein«, warnte sie ihn, während sie sich in Bewegung setzte. »Adrians Anwesenheit wird jeden Journalisten in Europa herbeilocken.«
Jason bedachte Jontil Purvis mit einem bösen Blick. Er war sich wohl bewusst, wie sehr es sie amüsierte, dass er sich von der Halbschwester seines Vaters herumkommandieren ließ. Lilian sagte immer, James und Rosemary hätten sich an Sturheit in nichts nachgestanden. Beide waren aus demselben Holz geschnitzt.
»Cooper! Grayson!«, rief Tante Rosemary, die Lilians Bodyguards mitgebracht hatte, und wies mit dem Kinn auf die sich rasch nähernde Journalistenmeute.
Die beiden angesprochenen Ex- SAS -Soldaten wehrten die britischen Pressegeier ab, während ein dritter einen Weg durch die schiebenden und drängenden Paparazzi zu dem wenige Meter entfernt wartenden Bentley bahnte.
»De Vere! Ich bin vom Mirror .« Ein schlaksiger, milchgesichtiger Reporter hielt Jason seinen Presseausweis vor die Nase.
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