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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Gesicht und ihr ›Erbarmung‹, wenn eine Soße nicht so geworden war, wie sie wollte, vorzustellen. Ihre Königsberger Klopse waren einmalig.«
    Elfriede schniefte in ihr großes Taschentuch.
    »Sie war ein so gütiger Mensch. Ich spreche hier auch für meine Schwester – die leider nicht bei uns sein kann –, für die sie nach dem frühen Tod unserer Mutter immer ein liebes, tröstendes Wort hatte.« Leopold machte eine Pause. »Leb wohl, Emma«, sagte er zum Schluss.
    Die Trauergäste begaben sich nun in den nahe liegenden Gasthof, wo es Grog und Schnaps gab. Leopold blieb noch eine Weile. Er hatte für jeden ein freundliches Wort und tröstete die noch immer schluchzende Elfriede.
    »Ich gehe gern die paar Schritte zu Fuß«, sagte er kurz darauf zu Kurt, der ihn mit der Kutsche zum Schloss bringen wollte. Er wusste, die Leiche musste im Dorfgasthof ordentlich begossen werden. Dann würde die Trauer in laute Fröhlichkeit umschlagen und die ganze Nacht getanzt werden.Das war so üblich in Ostpreußen. »Langsam tanzen trauert och«, hatte Emma zu Carla gesagt, als die sich wunderte, dass Emma am Tag nach der Beerdigung ihres »Seligen« über wund getanzte Füße klagte.

1873
     
    E

s war Mitte März. Der Winter hatte das Land noch fest im Griff. Leopold saß in der Bibliothek, als der Diener Horst Kölichen anmeldete.
    »Horst, wie nett, dich zu sehen.« Leopold reichte seinem alten Freund die Hand. »Was führt dich nach Troyenfeld?«
    Kölichen wärmte seine klammen Hände am prasselnden Kaminfeuer. »Leider nichts Erfreuliches«, sagte er mit besorgtem Gesicht. »Es gibt schlechte Nachrichten von der Börse.«
    »Was sagst du da?« Leopold sah ihn ungläubig an. »Ich war gerade in Königsberg bei meiner Bank. Die Kurse haben schon wieder zugelegt.«
    »Ich habe interne Informationen. Einige Gesellschaften sind weit überzeichnet. Es wird vor hohen Verlusten gewarnt.«
    »Meinst du nicht, dass du zu schwarzsiehst?«
    Kölichen schüttelte bedenklich den Kopf. »Glaub mir, ich wünschte, es wäre so. Aber ich weiß von einigen Großaktionären, die bereits ihre Gelder abziehen.« Dankbar nahm er einen Schluck von dem Cognac, den Leopold ihm eingegossen hatte. »Du weißt, ich vertrete die Interessen von Hanno. Eigentlich wollte ich mir von dir einen Rat holen, ob ich seine Beteiligungen verkaufen soll. Bis ich sein schriftliches Einverständnis habe, kann es bereits zu spät sein.« Er schwiegfür einen Moment. »Meine werde ich in den nächsten Tagen jedenfalls abstoßen, und als Anwalt und väterlicher Freund würde ich es dir auch dringend anraten.« Er ging jetzt erregt auf und ab.
    So ernst und beunruhigt hatte Leopold seinen Freund schon lange nicht mehr gesehen. »Du siehst zu schwarz, Horst. Mein Berater bei der Bank hätte mir mit Sicherheit etwas gesagt. Er berät mich seit Jahren hervorragend.« Auch er hatte sich jetzt einen Cognac eingegossen. »Ich werde auf keinen Fall verkaufen. Bald steht eine hohe Rechnung von Herrn Worth aus Paris ins Haus. Die möchte ich mit den nächsten Kursgewinnen bezahlen. Und für Hanno kann und will ich nichts entscheiden.«
    »Gut«, sagte Kölichen resigniert. »Ich werde ihm heute sofort schreiben und kann nur hoffen, dass ich unrecht habe.«
    Sie wechselten noch ein paar belanglose Worte, dann verabschiedete Kölichen sich eilig. »Ich muss noch einige Freunde und Klienten über den Stand der Dinge informieren. Wenn ich es nicht täte, würde ich mir ein Leben lang Vorwürfe machen.« An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Gott gebe, dass ich zu schwarzsehe. Aber überleg es dir noch einmal, Leopold. Wenigstens einen Teil deiner Papiere solltest du verkaufen.«
    »Gut, alter Freund. Ich denke darüber nach.« Aber Leopold dachte nicht im Traum daran. Warum um alles in der Welt sollte er diese seit einigen Jahren so herrlich sprudelnde Geldquelle nur auf vage Gerüchte hin selbst zum Versiegen bringen?
     
    Es war am 13. Mai, einem herrlichen Frühlingstag. Eine Woche zuvor war die Lieferung aus Paris eingetroffen, und zuNataschas Entzücken war ein Kleid schöner ausgefallen als das andere. »Heute ist Väterchens Geburtstag«, hatte sie am Morgen gesagt. »Ihm zu Ehren werde ich das fliederfarbene Satinkleid anziehen. Die Farbe hat er immer besonders an mir geliebt.« Tatsächlich sah es zu ihrem porzellanfarbenen Teint und den nachtschwarzen Haaren umwerfend aus.
    Die Familie saß auf der Terrasse und genoss die ersten warmen Sonnenstrahlen.

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