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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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heute sofort schreiben und alles auf mich nehmen.«
    Orlov bestellte die zweite Flasche Cognac, und als Leopold Stunden später nach Troyenfeld zurückfuhr, hatte ihn der Alkohol seine Sorgen für den Moment vergessen lassen.
    Kurt saß bei Elfriede in der Küche. Auch Alfons war dazugekommen. »Et muss wat Furchtbaret passiert sein«, sagte Kurt betrübt. »Janz Könichsberch is in heller Uffregung.«
    »Na wat denn nur, erzähl schon.« Elfriede goss drei Gläser voll mit Schnaps.
    »Alle reden vonne Börse, die zusammenjebrochen is. Allet Jeld is weg.«
    »Na hab ik es euch jestern nich schon jesacht«, warf Alfons ein.
    »Aber wie jeht denn sowat?« Elfriede sah die beiden sprachlos an.
    »Weß ik och nich. Als wir zur Bank kamen, war se jedenfalls jeschlossen, und davor lauter wütende und brüllende Menschkes«, antwortete Kurt.
    »Erbarmerche«, war alles, was Elfriede dazu einfiel.
    »Der Jraf hat mir jar nich erst anhalten lassen. Ik musste jleich weiter zum Club fahren. Janz jrün war er umme Nase.«
    »Ja und dann?«, fragten Emma und Alfons gleichzeitig.
    »Ein Rein und Raus war det in dem Club, kann ik euch sagen. Alle waren fürchterlich uffjeregt. Der Kutscher von Kölichen hat erzählt, dat der Jetreidehändler Kurbjeweit sich erschossen hat.«
    »Nu nich doch.« Elfriede schlug sich entsetzt die Hände vor’s Gesicht. »Und allet wejen dieser Börse?« Sie verstand die Welt nicht mehr.
    »Und beschlaucht haben se sich!«, fuhr Kurt fort. »Der Baron Orlov und unser Jraf konnten kaum noch stehen, als se aus’m Club kamen.«
    »Ach Jottchen«, stöhnte Elfriede. »Sind wir denn nu arm?«
    Das konnte sich Kurt nun wirklich nicht vorstellen. »Reg dir man nich uff, Elfriedchen«, meinte er beruhigend. »Janz so schlimm wird et schon nich werden.«
    Natascha verlor kein Wort über Leopolds erbärmlichen Zustand, als er aus Königsberg zurückkam. Sie fragte auchnicht, wie hoch seine Verluste seien. Sie tat, als wäre nichts geschehen. Leopolds bedrückte Miene ignorierte sie. Aber entgangen sein konnte es ihr nicht, dass das ganze Land in heller Aufregung war. Täglich berichteten die Zeitungen in großen Lettern über Firmenzusammenbrüche, Bankenpleiten und Selbstmorde ehemals vermögender Geschäftsleute. Sie glaubte keinen Augenblick daran, dass auch sie von dieser weltweiten Depression betroffen sein könnten.
    Leopold war erleichtert, dass er Nataschas Mitgift bisher nicht angerührt hatte. Das Geld würde ihnen über die nächste Zeit hinweghelfen. Einige Tage später bestellte er den Haushofmeister zu sich. »Nehmen Sie Platz, Herr Kochta. Wir haben einiges zu besprechen.« Zu dem Diener, der bewegungslos an der Tür stand, sagte er: »Alfons, lassen Sie uns bitte allein.«
    Mit beleidigter Miene zog Alfons sich zurück.
    »Sie wissen, dass wir in einer großen Wirtschaftskrise stecken?«
    »Selbstverständlich, Herr Graf, das ist mir natürlich nicht entgangen.« Schließlich las er jeden Tag die von seinem Herrn entsorgten Zeitungen.
    »Wir werden uns in der nächsten Zeit ein wenig einschränken müssen«, fuhr Leopold fort.
    Kochta rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Würde er jetzt etwa seine Stellung verlieren?
    »Auf Ihre Dienste möchte ich auf keinen Fall verzichten«, sagte Leopold beruhigend, »aber ich möchte Sie bitten, mir eine Aufstellung zu machen, wie viele Bedienstete wir eigentlich haben. Ich denke, auf einige der Lakaien und Dienstmädchen können wir verzichten. Auch der Förster scheint mir mehr an Gehilfen zu beschäftigen als nötig.«
    Kochta nickte. »Ich werde mich sofort darum kümmern, Herr Graf.« Er hatte sich erhoben.
    »Ach, noch etwas«, sagte Leopold. »Die Arbeiten am Seitenflügel werden bis auf Weiteres eingestellt. Nur die zerbrochenen Fensterscheiben müssen ersetzt werden. Die Innenarbeiten lassen wir ruhen, bis die Börse sich erholt und die Lage sich beruhigt hat. Ich hoffe, dass der Spuk bald vorbei ist.«
    Zu der Zeit ahnte noch niemand, dass die Depression mehr als zwanzig Jahre andauern sollte. Vorerst jedoch ging alles weiter wie gewohnt. Es gab eine hervorragende Ernte, die Kühlkammern waren bis unter das Dach gefüllt, und auch das gesellschaftliche Leben wurde wieder aufgenommen. Ab und an kam Kölichen, dann zog Leopold sich mit ihm in die Bibliothek zurück, und sie berieten hinter verschlossenen Türen, wie es weitergehen sollte.
    »Im Moment habe ich noch keinen finanziellen Engpass«, sagte Leopold bei einem seiner Besuche,

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