Solange es hell ist
erzählt?«
Poirot schüttelte den Kopf.
»Aber woher wussten Sie es denn?«
»Es gehört zu meinem Beruf, dergleichen zu wissen«, sagte Poirot leise lächelnd, als er Evelyn Haworth und Roger Endicott zusammen den Weg hinuntergehen sah.
»Ja, ja, aber verraten Sie es uns doch! Ach bitte, bitte! Lieber Monsieur Poirot, bitte verraten Sie es uns.«
Er war von einem Kreis aufgeregter, begieriger Gesichter umringt.
»Sie wollen wirklich, dass ich das Rätsel für Sie löse?«
»Ja!«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann.«
»Warum nicht?«
»Ma foi, Sie werden sehr enttäuscht sein.«
»Ach bitte! Sie müssen es uns verraten! Woher wussten Sie es?«
»Nun ja, ich war in der Bibliothek – «
»Und?«
»Und Sie haben draußen über Ihr Vorhaben gesprochen – und das Fenster stand offen.«
»Das ist alles?«, fragte Eric empört. »Na, dann war’s keine Kunst!«
»Nicht wahr?«, sagte Poirot lächelnd.
»Jedenfalls wissen wir jetzt alles«, sagte Jean mit Befriedigung in ihrer Stimme.
»Tatsächlich?«, murmelte Poirot bei sich, als er ins Haus ging. »Ich weiß nicht alles – ich, zu dessen Beruf es gehört, dergleichen zu wissen.«
Und er zog, wohl zum zwanzigsten Mal, ein ziemlich schmutziges Blatt Papier aus der Rocktasche.
»Essen Sie keinen Plumpudding.«
Poirot schüttelte verwirrt den Kopf. Im gleichen Moment wurde er sich eines merkwürdigen Keuchens in unmittelbarer Nähe seiner Füße bewusst. Er blickte zu Boden und erspähte ein schmächtiges Mädchen in einem geblümten Kleid. In der linken Hand hatte sie eine Kehrschaufel und in der rechten einen Besen.
»Wen haben wir denn hier?«, erkundigte sich Poirot.
»Annie Hicks, wenn’s recht ist, Sir. Ich helfe der Köchin und dem Stubenmädchen.«
Poirot hatte einen Geistesblitz. Er reichte ihr den Zettel.
»Haben Sie das geschrieben, Annie?«
»Ich hab’s nur gut gemeint, Sir.«
Er lächelte sie an.
»Aber natürlich. Wollen Sie mir nicht alles erzählen?«
»Es war bloß wegen den beiden, Sir – dem Mr Levering und seiner Schwester. Von uns kann die keiner leiden; und dass sie überhaupt nicht krank war, das haben wir gleich gemerkt. Ich hab mir gedacht, dass da was faul ist. Ich sag’s Ihnen frei heraus, Sir, ich hab an der Tür gelauscht und hab ihn klipp und klar sagen hören: ›Dieser Poirot muss schleunigst aus dem Weg geräumt werden.‹ Und dann sagte er zu ihr: ›Wo hast du es hingetan?‹ Und sie antwortete: ›In den Pudding.‹ Und da war mir klar, dass die Sie mit dem Weihnachtspudding vergiften wollten, aber ich hab nicht gewusst, was ich machen soll. Die Köchin tät einer wie mir ja doch nicht glauben. Und da hab ich gedacht, ich schreib Ihnen, um Sie zu warnen, und hab den Brief in die Halle gelegt, damit Mr Graves ihn auch ganz bestimmt sieht und Ihnen bringt.«
Annie hielt atemlos inne. Poirot musterte sie längere Zeit.
»Sie lesen zu viele Unterhaltungsromane, Annie«, sagte er schließlich. »Aber Sie haben ein gutes Herz, und Sie sind nicht dumm. Wenn ich wieder in London bin, werde ich Ihnen ein ausgezeichnetes Buch schicken über le men a ge sowie das Leben der Heiligen und ein Werk über die ökonomische Stellung der Frau.«
Er ließ die völlig verdutzte Annie stehen und durchquerte die Halle. Er hatte in die Bibliothek gehen wollen, doch durch die offene Tür sah er, dicht nebeneinander, einen dunkelhaarigen Kopf und einen blonden, und so hielt er inne, wo er war. Plötzlich schlangen sich zwei Arme um seinen Hals.
»Was bleiben Sie ausgerechnet unter dem Mistelzweig stehen!«, sagte Jean.
»Ich auch!«, rief Nancy.
Poirot genoss das Ganze – genoss es in der Tat ganz ungemein.
Nachwort
Christmas Adventure erschien unter dem Titel The Adve n ture of the Christmas Pudding erstmals in The Sketch vom 12. Dezember 1923 als letzte Story in der zweiten Folge von Kurzgeschichten, die unter dem Titel The Grey Cells of M. Poirot veröffentlicht wurden. In den vierziger Jahren wurde sie dann in zwei kurzlebige Sammelbände aufgenommen, nämlich in Problem at Pollensa Bay and Christmas A d venture und in Poirot Knows the Mu r derer, bevor sie, viele Jahre später, von Christie zu einer Novelle erweitert wurde. Als solche erschien sie in The Adventure of the Christmas Pudding and a Selection of Entries; 1960 (Ein diplomatischer Zwischenfall).
Im Vorwort zu diesem Buch schrieb Christie, die Geschichte erinnere an die Weihnachtsfeste, die sie in ihrer Jugend, nach dem Tod des Vaters im Jahre
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