Solange es hell ist
an.
»Danach«, fuhr der kleine Mann fort, »begab sie sich krank zu Bett.« Er zog seine Taschenuhr hervor und warf einen Blick darauf. »Das Haus ist erwacht. Mr Levering braucht sehr lange, um die Polizei zu holen, nicht wahr? Ich glaube, seine Schwester ist mit ihm gegangen.«
Evelyn erhob sich mit einem Schrei, den Blick auf Poirot geheftet.
»Und ich glaube, sie werden nicht zurückkommen. Oscar Levering bewegt sich schon seit Langem hart an der Grenze des Erlaubten, und das ist das Ende. Er und seine Schwester werden ihre Aktivitäten eine Zeitlang im Ausland fortsetzen, unter einem anderen Namen. Heute Morgen habe ich ihn abwechselnd gereizt und erschreckt. Indem er seine Maske fallen ließ, konnte er den Rubin in seinen Besitz bringen, während wir im Haus waren und er vorgeblich die Polizei holte. Doch das bedeutete, alle Brücken hinter sich abbrechen. Aber da ihm ein Mord in die Schuhe geschoben werden sollte, schien es ihm geboten, die Flucht zu ergreifen.«
»Hat er Nancy getötet?«, flüsterte Jean.
Poirot erhob sich.
»Ich schlage vor, wir begeben uns noch einmal zum Tatort«, sagte er.
Er ging voran, und alle folgten ihm. Aber als sie aus dem Haus traten, verschlug es allen gleichzeitig den Atem. Nichts deutete mehr auf das tragische Ereignis hin; der Schnee war glatt und unberührt.
»Mann, o Mann!«, sagte Eric und sank auf die Stufen. »Das Ganze war doch kein Traum, oder?«
»Höchst mysteriös«, sagte Poirot. »Das Geheimnis der verschwundenen Leiche.« Seine Augen funkelten verschmitzt.
Jean trat näher an ihn heran, da ein jäher Verdacht in ihr aufstieg.
»Monsieur Poirot, Sie haben doch nicht – Sie sind doch nicht – ich meine, Sie haben uns doch nicht die ganze Zeit an der Nase herumgeführt? Oh, ich glaube, das haben Sie wirklich!«
»So ist es, meine Kinder. Ich wusste von Ihrem kleinen Komplott, und darum habe ich ein kleines Gegenkomplott arrangiert. Ah, da ist Mademoiselle Nancy – unbeschadet, wie ich hoffe, nach ihrer hervorragenden schauspielerischen Leistung in meiner kleinen Komödie.«
Es war tatsächlich Nancy Cardell, wie sie leibte und lebte. Ihre Augen glänzten, und das ganze Persönchen strahlte Gesundheit und Vitalität aus.
»Sie haben sich doch nicht erkältet? Sie haben den Lindenblütentee getrunken, den ich Ihnen auf Ihr Zimmer schickte?«, erkundigte sich Poirot vorwurfsvoll.
»Ein einziger Schluck davon hat mir genügt. Es geht mir prima. Habe ich meine Sache gut gemacht, Monsieur Poirot? Aber mein Arm tut ganz schön weh von der Aderpresse!«
»Sie waren großartig, ma petite. Aber wollen wir die anderen nicht aufklären? Sie tappen noch immer im Dunkeln, wie ich sehe. Nun, mes enfants, ich ging zu Mademoiselle Nancy, sagte ihr, dass ich über Ihr kleines Komplott Bescheid wüsste, und fragte sie, ob sie für mich eine Rolle spielen würde. Sie ging sehr geschickt vor. Sie veranlasste Mr Levering, ihr eine Tasse Tee zu machen, und es gelang ihr außerdem, dass er derjenige war, der die Fußspuren im Schnee zurückließ. Als der Augenblick gekommen war und er dachte, sie sei durch einen unglücklichen Zufall tatsächlich tot, hatte ich alle Indizien, um ihm Angst zu machen. Was geschah, nachdem wir ins Haus gegangen waren, Mademoiselle?«
»Er kam mit seiner Schwester herunter, riss mir den Rubin aus der Hand, und dann machten sie sich Hals über Kopf aus dem Staub.«
»Aber Monsieur Poirot, was ist mit dem Rubin?«, rief Eric. »Heißt das, dass Sie die beiden mit dem Rubin haben entwischen lassen?«
Poirot machte ein langes Gesicht, als er dem Kreis vorwurfsvoller Blicke begegnete.
»Ich werde ihn wieder herbeischaffen«, sagte er matt; aber er spürte, dass er in ihrer Achtung gesunken war.
»Das will ich auch schwer hoffen!«, begann Johnnie. »Die beiden mit dem Rubin abhauen zu lassen!«
Aber Jean war scharfsinniger.
»Er nimmt uns schon wieder auf den Arm!«, rief sie aus. »Habe ich Recht?«
»Greifen Sie in meine linke Rocktasche, Mademoiselle.«
Jean schob eifrig die Hand hinein und zog sie mit einem triumphierenden Schrei wieder heraus. Sie hielt den großen Rubin in all seiner funkelnden Pracht in die Höhe.
»Sie müssen wissen«, erläuterte Poirot, »der andere war nur eine wertlose Nachbildung, die ich aus London mitgebracht hatte.«
»Ist er nicht raffiniert?«, fragte Jean begeistert.
»Eins haben Sie uns aber noch nicht verraten«, sagte Johnnie unvermittelt. »Woher wussten Sie von dem Jux? Hat Nancy es Ihnen
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