Solange es hell ist
scheiterte jedoch kläglich.
Die Einsame Lady nahm das Tuch und gab vor, es eingehend und sorgfältig zu prüfen.
»Nein, das gehört mir nicht.« Sie gab es ihm zurück und fügte mit einem, wie er schuldbewusst fand, argwöhnischen Blick hinzu: »Das ist ganz neu. Der Preis steht noch darauf.«
Aber er war nicht gewillt, sich einzugestehen, dass er ertappt worden war. Er begann damit, eine Flut mehr als plausibler Erklärungen abzugeben.
»Ich habe es nämlich da drüben unter der großen Vitrine gefunden. Es lag direkt neben dem hintersten Bein.« Er war erleichtert ob seiner detaillierten Schilderung. »Und da Sie dort gestanden hatten, dachte ich, es müsse Ihnen gehören, und bin Ihnen damit nachgegangen.«
Sie sagte noch einmal: »Nein, es gehört mir nicht« und setzte, wie sich ihrer Unfreundlichkeit bewusst, hinzu: »Danke.«
Das Gespräch kam zu einem peinlichen Stillstand. Die junge Frau stand da, mit gerötetem Gesicht und verlegen, offenkundig unsicher, wie sie sich mit Würde zurückziehen sollte.
Er unternahm einen verzweifelten Versuch, seine Chance zu nutzen.
»Ich – ich wusste gar nicht, dass es in London noch jemanden gab, der sich für unseren kleinen einsamen Gott interessierte, bis Sie kamen.«
Sie antwortete eifrig, ihre Reserviertheit vergessend:
»Dann nennen Sie ihn auch so?«
Falls sie das von ihm verwendete Pronomen bemerkt hatte, dann schien sie sich nicht daran zu stoßen. Sie hatte aus Überraschung Teilnahme gezeigt, und sein ruhiges »Selbstverständlich!« schien die natürlichste Antwort von der Welt zu sein.
Wieder herrschte Schweigen, doch diesmal war es ein verständnisvolles Schweigen.
Gebrochen wurde es von der Einsamen Lady, die sich plötzlich auf die gesellschaftliche Konvention besann.
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, und unter für eine so kleine Person geradezu grotesker Aufbietung ihrer ganzen Würde bemerkte sie in frostigem Ton:
»Ich muss jetzt gehen. Guten Morgen.« Und mit einem knappen, steifen Neigen des Kopfes ging sie davon, sehr gerade und aufrecht.
Nach herkömmlichen Begriffen hätte Frank Oliver dies als Abfuhr empfinden müssen, aber es ist ein bedauerlicher Beweis für seine rapide fortschreitende Verderbtheit, dass er lediglich »Kleines Schätzchen!« bei sich murmelte.
Er sollte seine Kühnheit jedoch schon bald bereuen. Zehn Tage lang kam seine kleine Lady nicht in die Nähe des Museums. Er war verzweifelt! Er hatte sie vertrieben! Sie würde nie mehr herkommen! Er war ein Rohling, ein Schurke! Er würde sie nie wiedersehen!
In seiner Not suchte er das Britische Museum den ganzen Tag lang heim. Vielleicht hatte sie lediglich den Zeitpunkt ihres Besuchs geändert. Schon bald kannte er auch die angrenzenden Räume auswendig und entwickelte dabei einen bleibenden Hass auf Mumien. Der Museumswärter beobachtete ihn mit Argwohn, als er sich drei Stunden lang in assyrische Hieroglyphen vertiefte, und die eingehende Betrachtung endloser Vasen aus allen möglichen Epochen trieb ihn vor Langeweile schier zum Wahnsinn.
Doch eines Tages wurde seine Ausdauer belohnt. Sie kam wieder, das Gesicht geröteter als sonst und bemüht, selbstsicher zu wirken.
Er begrüßte sie mit munterer Fröhlichkeit.
»Guten Morgen! Sie waren ja ewig nicht mehr da!«
»Guten Morgen.«
Sie ließ die Worte mit kühler Frostigkeit über ihre Lippen schlüpfen und ignorierte kalt den zweiten Teil seiner Begrüßung.
Aber er war nun einmal verzweifelt.
»Hören Sie!« Er stand mit flehenden Augen vor ihr, die sie unwillkürlich an einen großen treuen Hund erinnerten. »Wollen wir nicht Freunde sein? Ich bin ganz allein in London – ganz allein auf der Welt –, und ich glaube, dass auch Sie allein sind. Wir sollten Freunde sein. Schließlich hat unser kleiner Gott uns miteinander bekannt gemacht.«
Sie blickte leicht zweifelnd zu ihm auf, doch um seine Mundwinkel zuckte ein leises Lächeln.
»Hat er das?«
»Selbstverständlich!«
Es war das zweite Mal, dass er diese höchst nachdrückliche Form der Bejahung benutzt hatte, die, wie schon zuvor, auch jetzt nicht ihre Wirkung verfehlte, denn nach ein oder zwei Minuten sagte die junge Frau leicht erhaben, wie es ihre Art war:
»Nun gut.«
»Großartig«, erwiderte er rau, aber in seiner Stimme lag etwas, als er dies sagte, das die junge Frau veranlasste, einen schnellen Blick auf ihn zu werfen, da plötzlich Mitleid in ihr aufwallte.
Und so begann die seltsame Freundschaft. Sie trafen
Weitere Kostenlose Bücher