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Solange es hell ist

Solange es hell ist

Titel: Solange es hell ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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thronenden Nachtmütze war zwar komisch, aber die Wirkung auf Johnnie schien doch etwas übertrieben. Wenn seine Worte nicht gewesen wären, hätte man annehmen können, der Junge amüsiere sich köstlich. Auch draußen vom Flur kamen eigenartige Geräusche, die an explodierende Sodawasserflaschen erinnerten.
    »Bitte kommen Sie gleich mit hinunter«, fuhr Johnnie mit leicht bebender Stimme fort. »Es ist jemand ermordet worden.« Er wandte sich ab.
    »Oh, das ist allerdings etwas Ernstes!«, sagte Poirot.
    Er stand auf und machte, ohne sich übermäßig zu beeilen, die unbedingt erforderliche Toilette. Dann folgte er Johnnie nach unten. Die Hausgäste drängten sich an der Tür zum Garten. Ihre Gesichter drückten allesamt starke Gefühlsregungen aus. Beim Anblick von Poirot erlitt Eric einen heftigen Erstickungsanfall.
    Jean trat vor und legte die Hand auf Poirots Arm.
    »Dort! Sehen Sie!« sagte sie und deutete pathetisch durch die offene Tür.
    » Mon dieu!«, stieß Poirot hervor. »Das ist ja wie im Theater.«
    Seine Bemerkung war keineswegs unpassend. Während der Nacht hatte es wieder geschneit, und im fahlen Licht der Morgendämmerung sah die Welt weiß und gespenstisch aus. Nichts unterbrach die weite weiße Fläche bis auf etwas, das wie ein leuchtend scharlachroter Fleck aussah.
    Nancy Cardell lag regungslos im Schnee. Sie war mit einem scharlachroten Seidenpyjama bekleidet, ihre kleinen Füße waren nackt und ihre Arme ausgestreckt. Ihr Gesicht war zur Seite gedreht und unter der Fülle ihres lockigen schwarzen Haares verborgen. Totenstill lag sie da, und aus ihrer linken Seite ragte der Griff eines Dolches, während sich im Schnee ein ständig größer werdender karmesinroter Fleck ausbreitete.
    Poirot ging hinaus in den Schnee. Er begab sich nicht an die Stelle, wo das Mädchen lag, sondern blieb auf dem Weg. Zwei Fußspuren, die eines Mannes und einer Frau, führten zu dem Ort, an dem sich der tragische Vorfall ereignet hatte. Die Spuren des Mannes gingen in der entgegengesetzten Pachtung weiter, allein. Poirot blieb auf dem Weg stehen und strich sich nachdenklich über das Kinn.
    Plötzlich kam Oscar Levering aus dem Haus gestürzt.
    »Großer Gott!«, rief er. »Was ist passiert?«
    Seine Erregung stand in krassem Gegensatz zu Poirots Gelassenheit.
    »Mir scheint«, sagte Poirot bedächtig, »ein Mord.«
    Eric bekam erneut einen heftigen Hustenanfall.
    »Aber wir müssen doch etwas tun!«, rief der andere. »Was machen wir denn jetzt?«
    »Da gibt es nur eins«, sagte Poirot. »Wir müssen die Polizei holen.«
    »Oh!«, sagten alle gleichzeitig.
    Poirot blickte forschend in die Runde.
    »Aber ja«, sagte er. »Etwas anderes kommt nicht infrage. Wer von Ihnen geht?«
    Es herrschte Schweigen, doch dann trat Johnnie vor.
    »Der Spaß ist zu Ende«, verkündete er. »Ich kann nur hoffen, Monsieur Poirot, dass Sie uns nicht allzu böse sind. Das Ganze war nämlich ein Jux, den wir uns ausgedacht haben, um Sie auf den Arm zu nehmen. Nancy simuliert bloß.«
    Poirot betrachtete ihn ohne sichtliche Gemütsbewegung, außer dass seine Augen einen Moment lang funkelten.
    »Sie machen sich über mich lustig, ist es so?«, erkundigte er sich ruhig.
    »Es tut mir wirklich furchtbar leid. Ehrlich! Wir hätten das nicht tun sollen. Grässlich geschmacklos. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, ganz ehrlich.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte der andere in einem sonderbaren Ton.
    Johnnie drehte sich um.
    »He, Nancy, steh auf!«, rief er. »Oder willst du den ganzen Tag da liegen bleiben?«
    Aber die Gestalt im Schnee rührte sich nicht.
    »Steh schon auf!«, rief Johnnie noch einmal.
    Doch Nancy bewegte sich nicht, und plötzlich ergriff namenlose Furcht den Jungen. Er drehte sich zu Poirot um.
    »Was – was ist denn los? Warum steht sie nicht auf?«
    »Kommen Sie mit«, sagte Poirot barsch.
    Er stapfte durch den Schnee. Er hatte die anderen mit einer Handbewegung angewiesen zurückzubleiben und achtete darauf, die vorhandenen Fußspuren nicht zu zerstören. Der Junge folgte ihm verängstigt und verwirrt. Poirot kniete neben dem Mädchen nieder und winkte Johnnie näher.
    »Fühlen Sie ihre Hand und ihren Puls.«
    Verwundert bückte sich der Junge und sprang dann mit einem Schrei zurück. Die Hand und der Arm waren steif und kalt, und es war keinerlei Pulsschlag zu fühlen.
    »Sie ist tot!«, ächzte er. »Aber wie? Warum?«
    Poirot überging den ersten Teil der Frage.
    »Warum?«, sagte er

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