Solange es hell ist
interessierte ihn nicht. Vor ihm war ein Bild der mit irdischen Gütern gesegneten Prinzessin mit der traurigen, einsamen Seele aufgestiegen, übersättigt mit Glück, erstickt mit Luxus, verhungernd in einem Palast des Überflusses.
Er begann mit geballter Energie zu malen, erfüllt von der unbändigen Freude des Schaffensdrangs.
Er stellte die Prinzessin auf einem Diwan ruhend dar, umgeben von ihrem Hofstaat. Eine Orgie orientalischer Farben beherrschte das Bild. Die Prinzessin trug ein wundervolles Kleid mit seltsam bunten Stickereien; ihr goldenes Haar fiel herab, und auf dem Kopf trug sie einen üppig mit Juwelen besetzten Reif. Ihre Gespielinnen umringten sie, und zu ihren Füßen knieten Prinzen mit kostbaren Geschenken. Das ganze Bild strahlte Luxus und verschwenderische Fülle aus.
Doch das Gesicht der Prinzessin war abgewandt; sie achtete nicht auf die Fröhlichkeit und Ausgelassenheit um sie herum. Ihr Blick war auf eine dunkle und düstere Ecke gerichtet, in der etwas stand, das so gar nicht in das Bild zu passen schien: ein kleines Idol aus grauem Stein, den Kopf in hemmungsloser Verzweiflung in den Händen vergraben.
Passte es tatsächlich nicht dazu? Die Augen der jungen Prinzessin ruhten seltsam verständnisvoll auf dem Idol, als zöge eine erste Ahnung der eigenen Isoliertheit unwiderstehlich ihren Blick an. Sie waren seelenverwandt, die beiden. Die Welt lag ihr zu Füßen – und doch war sie allein: eine einsame Prinzessin, die einen einsamen kleinen Gott betrachtet.
Ganz London sprach über das Bild, Greta schrieb hastig ein paar Zeilen aus Yorkshire, um ihm zu gratulieren, und Tom Hurleys Frau bestürmte Frank Oliver, »für ein Wochenende zu kommen und ein wirklich entzückendes Mädchen kennen zu lernen, eine große Bewundererin deiner Kunst«. Frank Oliver lachte sarkastisch auf und warf den Brief ins Feuer. Der Erfolg hatte sich eingestellt – aber was bedeutete er ihm schon? Er wollte nur eins: die Einsame Kleine Lady, die für immer aus seinem Leben verschwunden war.
Es war während der Rennwoche in Ascot, als sich in einer gewissen Abteilung des Britischen Museums der Wärter verwundert die Augen rieb und sich fragte, ob er träumte, da dies nicht der Ort war, an dem man eine für Ascot gewandete Erscheinung in einem Spitzenkleid und einem hinreißenden Hut zu sehen erwartete, eine veritable Nymphe, wie von einem Pariser Genie gemalt. Der Wärter starrte sie verzückt an.
Der einsame Gott war vielleicht nicht ganz so überrascht. Möglicherweise war er auf seine Art doch ein mächtiger kleiner Gott; auf jeden Fall war hier jemand in den Schoß seiner Anbeter zurückgekehrt.
Die Einsame Kleine Lady blickte unverwandt zu ihm hinauf, und ihre Lippen bewegten sich flüsternd:
»Lieber kleiner Gott, ach, bitte, lieber kleiner Gott, hilf mir! Ach hilf mir doch bitte!«
Vielleicht fühlte sich der kleine Gott geschmeichelt. Vielleicht hatten, sofern er tatsächlich eine so blutrünstige, unversöhnliche Gottheit war, wie Frank Oliver ihn dargestellt hatte, die langen trostlosen Jahre und der Lauf der zivilisierten Welt sein kaltes, steinernes Herz erweicht. Vielleicht hatte die Einsame Kleine Lady die ganze Zeit Recht gehabt, und er war in der Tat ein gütiger kleiner Gott. Vielleicht war es auch nur ein Zufall. Aber wie dem auch sei, genau in diesem Moment trat Frank Oliver langsam und bedrückt durch die Tür des Assyrischen Saals.
Er blickte auf und sah die Pariser Nymphe.
Im nächsten Moment hielt er sie in seinen Armen, und sie stammelte hastig und abgehackt:
»Ich war so einsam – du weißt es, du musst die Geschichte gelesen haben, die ich schrieb; du hättest das Bild nicht malen können, wenn du sie nicht gelesen und verstanden hättest. Die Prinzessin war ich; ich hatte alles, und trotzdem war ich unsagbar einsam. Eines Tages wollte ich eine Wahrsagerin aufsuchen und lieh mir dafür Sachen meiner Zofe. Unterwegs kam ich kurz hier herein und sah dich den kleinen Gott betrachten. So fing alles an. Ich spielte dir etwas vor – ach, das war so abscheulich von mir, aber ich fuhr damit fort, und später wagte ich nicht, dir zu gestehen, dass ich dich derart angelogen hatte. Ich dachte, du würdest Abscheu empfinden, wenn du erfährst, wie ich dich getäuscht habe. Ich konnte es nicht ertragen, dass du es herausfindest, und darum ging ich fort. Dann schrieb ich die Geschichte, und gestern sah ich dein Gemälde. Es war doch von dir, oder?«
Nur die Götter kennen in vollem
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