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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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und betrachtete sie, auf die metallenen Randleisten aufgestützt. Der lebende Ozean hatte seine Untiefen und Tiefen; seine Inseln, mit einem Anflug verwitternder Mineralien bedeckt, ließen erkennen, daß sie einst seinen Grund gebildet hatten. Regelte er auch das Hervortauchen und Untergehen der Felsformationen, die in seinem Schoß versenkt waren? Das war völlig im dunklen. Ich schaute auf die riesigen, mit verschiedenen Violett- und Blautönen bemalten Halbkugeln auf der Karte und empfand, ich weiß nicht, zum wievielten Mal im Leben, das gleiche überwältigende Staunen, das ich zum ersten Mal als Bub gefühlt hatte, als ich in der Schule von der Existenz der Solaris erfahren hatte.
    Ich weiß nicht, wie es kam, daß die Umgebung samt dem in ihr harrenden Geheimnis um Gibarians Tod, ja daß selbst meine ungewisse Zukunft mir mit einemmal unwichtig erschien, und daß ich an nichts dachte, versunken in die Betrachtung dieser jeden Menschen erschütternden Karte.
    Die einzelnen Gegenden der Lebendbildung waren nach Forschern benannt, die sich ihrer Exploration gewidmet hatten. Ich musterte das Thexallsche Schlammassiv, das die äquatornahen Archipele umspült, da spürte ich jemandes Blick auf mir.
    Immer noch stand ich über die Karte gebeugt, aber ich sah sie nicht mehr, ich war wie gelähmt. Die Tür hatte ich direkt vor mir; sie war mit den Kisten verstellt, und davor hatte ich noch ein Schränkchen geschoben. - Das ist irgendein Automat dachte ich, obwohl vorhin keiner im Zimmer gewesen war, und keiner unbemerkt von mir hätte hereinkommen können. Die Haut auf Genick und Rücken begann mich zu brennen; das Gefühl, daß dieser Blick unbeweglich auf mir lastete, wurde unerträglich. Ich zog den Kopf ein, und es fiel mir nicht auf, daß ich mich zugleich immer fester gegen den Tisch stemmte: er begann langsam über den Fußboden zu rutschen. Dieser Ruck wirkte auf mich wie eine Befreiung. Ich wandte mich jäh um.
    Das Zimmer war leer. Vor mir klaffte nur schwarz das große halbrunde Fenster. Die Empfindung wich nicht. Die Finsternis starrte mich an, gestaltlos, riesig, augenlos, ohne Grenzen. Kein Stern erhellte das Dunkel hinter den Scheiben. Ich zog die lichtdichten Vorhänge zu. Noch keine Stunde lang war ich in der Station, aber ich begann schon zu verstehen, warum hier Fälle von Verfolgungswahn vorgekommen waren. Instinktiv verknüpfte ich das mit dem Tod Gibarians. So wie ich ihn kannte, hatte ich bisher gedacht, ihn könnte nichts aus dem geistigen Gleichgewicht bringen. Nun war ich dessen nicht mehr so sicher.
    Ich stand mitten im Zimmer, neben dem Tisch. Mein Atem beruhigte sich, ich spürte, wie der Schweiß auskühlte, der mir auf die Stirn getreten war. Woran hatte ich nur eben gedacht? Stimmt - an die Automaten. Daß ich nicht einen auf dem Korridor oder in den Zimmern antraf, war sehr merkwürdig. Wohin waren die alle verschwunden? Der einzige, der mir - auf Distanz - untergekommen war, gehörte zu der mechanischen Flughafenwartung. Und die anderen?
    Ich schaute auf die Uhr. Eigentlich war es Zeit, daß ich zu Snaut ging.
    Ich ging hinaus. Unter der Decke entlanglaufende Glimmröhren beleuchteten den Korridor ziemlich schwach. Ich schritt an zwei Türen vorbei, dann kam ich zu der, worauf Gibarians Name stand. Ich blieb lang davor stehen. Stille erfüllte die Station. Ich faßte die Klinke. Eigentlich wollte ich gar nicht dort hineingehen. Sie senkte sich, die Tür schob sich einen Zoll weit auf, ein Spalt entstand, einen Augenblick lang schwarz, dann schaltete sich dort das Licht ein. Jetzt konnte mich jeder sehen, der etwa durch den Korridor kam.
    Schnell überschritt ich die Schwelle und schloß die Tür hinter mir, lautlos und fest. Dann wandte ich mich um.
    Ich stand so, daß mein Rücken fast die Tür berührte. Das Zimmer war größer als meines und hatte auch ein Panoramafenster; drei Viertel der Scheibe verdeckte eine zweifellos von der Erde mitgebrachte, nicht zum Stationsinventar gehörige Gardine mit feinem blauem und rosarotem Blümchenmuster. Die Wände entlang reihten sich Bücherregale und Schränkchen, alle mit silbrig glänzendem Lackanstrich in sehr hellem Grün. Ihr Inhalt, in ganzen Stapeln auf den Fußboden herausgewälzt, türmte sich zwischen den Schemeln und Lehnstühlen auf. Dicht vor mir sperrten zwei >marschierende Tischlein< den Durchgang, umgeworfen und teilweise in die Raufen von Zeitschriften eingebohrt, die aus geplatzten Mappen quollen. Über aufgeschlagene

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