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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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(ich ging schon die Stufen hinunter), war das wie das Auflegen eines erwärmten Siegels.
    Auf halber Höhe der Treppe besann ich mich anders und kehrte nach oben zurück. Ich ging rund um das Laboratorium. Wie ich schon gesagt habe, umgürtete es der Korridor: nach etwa hundert Schritten befand ich mich auf der anderen Seite, einer völlig gleichartigen Glastür gegenüber. Ich versuchte nicht, sie zu öffnen, ich wußte, daß sie versperrt war.
    Ich suchte irgendein Fenster in der Kunststoffwand, eine Ritze wenigstens; der Gedanke, Sartorius zu belauern, kam mir durchaus nicht schuftig vor. Ich wollte den Vermutungen ein Ende machen und die Wahrheit kennenlernen, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich sie sollte begreifen können.
    Es kam mir in den Sinn, daß Deckenfenster den Laboratoriumssälen Licht spendeten, also Fenster im Außenpanzer, durch die ich vielleicht ins Innere schauen konnte, wenn ich erst hinausgelangt war. Zu diesem Zweck mußte ich hinuntergehen und Raumanzug und Sauerstoffgerät holen. Ich stand an der Treppe und überlegte, ob das Spiel der Mühe wert sei. Es war durchaus wahrscheinlich, daß das Glas der Oberfenster matt war, aber was blieb mir übrig? Ich ging ins mittlere Stockwerk hinunter. Ich mußte an der Funkstation vorbei. Die Tür war sperrangelweit geöffnet. Er - saß im Lehnsessel, wie ich ihn verlassen hatte. Er schlief. Auf das Geräusch meiner Schritte hin zuckte er und öffnete die Augen.
    -    Hallo, Kelvin! - begrüßte er mich heiser. Ich schwieg.
    -    Nun, wie steht’s, hast du etwas erfahren? - fragte er.
    -    Allerdings - entgegnete ich langsam. - Er ist nicht allein.
    Snaut verzog den Mund.
    -    Na bitte. Das ist immerhin etwas. Er hat Gäste, sagst du?
    -    Ich verstehe nicht, warum ihr nicht sagen wollt, was das ist - warf ich wie beiläufig hin. -Da ich hierbleibe, erfahre ich es ja früher oder später doch. Also wozu die Geheimnisse?
    -    Du wirst das einsehen, sobald du selbst Gäste hast - sagte er. Meinem Eindruck nach wartete er auf etwas und hatte nicht viel Lust zu Gesprächen.
    -    Wohin gehst du? - murmelte er, als ich mich umwandte. Ich antwortete nicht. Die Flughafenhalle war in demselben Zustand, in dem ich sie zurückgelassen hatte. Auf der Erhöhung stand sperrangelweit geöffnet meine verrußte Kapsel. Ich näherte mich den Ständern mit den Raumanzügen, aber schlagartig verging mir die Lust zu dieser Extratour auf den Außenpanzer. Ich drehte mich um, wo ich stand, und ging über die Wendeltreppe hinunter zu den Lagerräumen. Der schmale Korridor war mit Gasflaschen und gestapelten Kisten vollgeräumt. Die Wände bestanden hier aus dem nackten, im Licht bläulich blitzenden Metall. Noch vierzig, fünfzig Schritte, und unter der Decke zeigten sich, weiß vom Reif, die Leitungen der Kühlapparatur. Ich folgte ihnen. Sie stießen durch eine Muffe mit dickem Kunststoffkragen in einen dicht abgeschlossenen Raum durch. Ich öffnete die schwere, zwei Handbreit dicke Tür mit Gummirand, da wehte mich Frost an, der bis in die Knochen fuhr. Ich zitterte. Von dem Gewirr verschneiter Windungen hingen Eiszapfen
    herab. Auch hier standen Kisten und Behälter, eine feine Schicht Schnee bedeckte sie; die Regale an den Wänden waren vollgestellt mit Dosen und mit irgendwelchem Fett, gelblichen Ziegeln in Klarsichtverpackung. Gegenüber im Hintergrund wurde das Tonnengewölbe niedriger. Dort hing ein dicker, von feinen Eisnadeln funkelnder Vorhang. Ich schlug seinen Rand zurück. Auf einer Lagerstatt aus Aluminiumgittern ruhte mit grauem Tuch bedeckt eine große, langgestreckte Last. Ich hob ein Endchen der Plane und sah in das verharschte Gesicht Gibarians. Die schwarzen Haare, mit dem weißen Streifen oberhalb der Stirn, legten sich glatt an den Schädel. Der Kehlkopf stach hoch hervor, die Halsfläche knickend. Die ausgetrockneten Augen schauten senkrecht hinauf zur Decke, im Lidwinkel hatte sich ein trüber Eistropfen angesammelt. Die Kälte durchdrang mich dermaßen, daß ich mit Mühe das Zähneklappern unterdrückte. Ohne das Bahrtuch loszulassen, berührte ich mit der anderen Hand den Toten an der Wange. Das war geradeso, wie wenn ich vereistes Holz berührt hätte. Die Haut war rauh von dem Bartwuchs, der in schwarzen Pünktchen hindurchstach. Der Ausdruck maßloser, verächtlicher Geduld gefror in der Stellung der Lippen. Als ich den Tuchsaum wieder senkte, bemerkte ich, daß jenseits des Leichnams unter dem Faltenwurf

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