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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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einige schwarze, längliche Perlen oder Bohnen hervorstanden, der Größe nach aufgereiht.
    Plötzlich erstarrte ich.
    Das waren die Zehen nackter Füße, von der Sohlenseite gesehen; die eiförmigen Zehenkuppen waren leicht voneinandergespreizt, unter dem bauschigen Rand des Bahrtuchs lag platt an den Grund geschmiegt die Negerin.
    Sie ruhte mit dem Gesicht nach unten, wie in tiefen Schlafversunken. Zoll für Zoll zog ich das dicke Gewebe weg. Der Kopf, bedeckt mit Haaren, die zu kleinen, bläulichen Büscheln verknäuelt waren, lag in der Beuge des ebenso schwarzen, massiven Arms. Die Buckel der Wirbelsäule spannten die glänzende Rückenhaut. Den gewaltigen Fleischberg belebte nicht die kleinste Bewegung. Noch einmal blickte ich auf die nackten Fußsohlen, und da fiel mir etwas Merkwürdiges auf: sie waren nicht platt oder eingedrückt von dem Gewicht, das sie zu tragen hatten, sie waren nicht einmal verhornt vom Barfußgehen, genauso glatte Haut wie die des Rückens oder der Hände überzog sie.
    Ich überprüfte diese Wahrnehmung durch eine Berührung, die mir viel schwerer fiel als das Berühren des toten Körpers. Nun geschah etwas kaum Glaubliches: Dieser einem Frost von zwanzig Grad ausgesetzte Körper lebte und bewegte sich. Sie zog den Fuß ein, wie ein schlafender Hund, den jemand an der Pfote faßt.
    - Erfrieren wird sie hier - dachte ich, aber der Körper war ruhig und nicht übermäßig kühl, ich fühlte noch die weiche Tastempfindung in den Fingerspitzen verfließen. Ich wich rücklings hinter den Vorhang zurück, ließ ihn sinken und ging wieder auf den Korridor hinaus. Es schien mir, daß dort unheimliche Hitze herrsche. Die Treppe führte mich dicht vor die Halle des Flughafens. Ich setzte mich auf einen zusammengerollten Ringfallschirm und nahm den Kopf zwischen die Hände. Ich fühlte mich wie zerschlagen. Ich wußte nicht, was mit mir vorging. Ich war zermalmt, meine Gedanken schlitterten irgendein Steilgefälle hinab, wo der Absturz drohte. Mein Bewußtsein einzubüßen, zu nichts zu werden, das schien mir eine unsägliche, unerringliche Gnade.
    Snaut oder Sartorius aufzusuchen, war zwecklos; ich nahm nicht an, daß überhaupt irgend jemand zu einer Ganzheit zusammenfügen könnte, was ich bislang erlebt hatte, gesehen, mit eigenen Händen berührt. Die einzige Rettung - Flucht - Erklärung - war die Diagnose auf Wahnsinn. Ja: Ich mußte wahnsinnig geworden sein, und das sofort nach der Landung. Der Ozean wirkte so auf mein Gehirn, ich erlebte Halluzination auf Halluzination, und demzufolge hatte ich nicht meine Kräfte zu vergeuden, indem ich vergeblich Rätsel zu entwirren suchte, die in Wirklichkeit nicht existierten, sondern ich hatte ärztliche Hilfe anzufordern, von der Funkstation aus den Prometheus oder ein anderes Schiff zu rufen, SOS-Signale durchzugeben.
    Nun geschah etwas, was ich eher nicht erwartet hätte: Der Gedanke, ich sei verrückt geworden, beruhigte mich.
    Nur zu gut verstand ich Snauts Worte - vorausgesetzt, daß überhaupt ein Snaut existierte, und daß ich irgendwann mit ihm gesprochen hatte; die Halluzinationen konnten ja viel früher eingesetzt haben - wer konnte wissen, ob ich nicht noch immer an Bord des Prometheus weilte, von einer plötzlich ausgebrochenen Geisteskrankheit befallen, so daß alles, was ich erlebt hatte, das Produkt meines gereizten Gehirns war? Wenn ich aber krank war, dann konnte ich wieder gesund werden, und dies gab mir wenigstens die Hoffnung auf ein Entrinnen, die ich aus den wirren Alpträumen meiner kaum ein paar Stunden alten Solaris-Erfahrung in keiner Weise herauszulesen vermochte.
    Demnach war vor allem einmal ein logisch entworfenes Selbstexperiment durchzuführen, experimentum crucis, eines, das mir anzeigen konnte, ob ich tatsächlich wahnsinnig war und das Opfer von Vorspiegelungen der eigenen Einbildung wurde, oder ob meine Erlebnisse trotz ihrer Absurdität und Unwahrscheinlichkeit real waren.
    So überlegte ich und betrachtete dabei ein metallenes Auflager, das die Tragkonstruktion des Flughafens stützte. Das war ein aus der Wand hervortretender, mit vorgebauchten Blechen umdämmter Stahlmast, blaßgrün gestrichen. An einigen Stellen, etwa einen Meter über dem Fußboden, blätterte der Lack ab, sicher hatten ihn die hier vorbeifahrenden Raketenwägelchen abgeschürft. Ich berührte den Stahl, wärmte ihn eine Weile mit der flachen Hand, klopfte auf den gewalzten Rand des Schutzblechs. Kann eine Vorspiegelung einen solchen Grad

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