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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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meine Lippen und schaltete die Mithörlautsprecher ein. Dann ging ich auf die Sprechfunkfrequenz der Raumanzüge.
    »Khalid?«
    Ein deutliches Knacken war zu hören, als er seinen Sender einschaltete. »Carr«, sagte er nur. Er wirkte völlig ruhig. Sein Atem ging vernehmlich, aber gleichmäßig. »Ich entferne mich immer weiter von der Station.«
    Ich nickte. »Das ist richtig.«
    Er zögerte einige Sekunden, in denen er mit sich zu ringen schien. Dann gab er einen verärgerten Seufzer von sich und sagte: »Okay, Carr, Sie haben gewonnen. Sie haben Ihren Triumph gehabt, Sie haben mich schmoren lassen – okay. Bitte, holen Sie mich wieder an Bord.«
    Ich starrte auf den runden, dunklen Radarschirm, auf den winzigen grünen Punkt darauf. Immer noch der alte Khalid. Immer noch stolz, aber sich widerwillig beugend. Wahrscheinlich dachte er, daß er mir damit schmeicheln konnte. »Ich habe nicht gewonnen, Khalid«, erwiderte ich dann grimmig. »Ich wüßte nicht, was ich gewonnen haben sollte. Aber ich weiß, daß Sie verloren haben.«
    »Ja, das weiß ich auch.« In seiner Stimme schwang Wut mit; er schien zu glauben, daß ich noch mehr Selbsterniedrigungen von ihm forderte. »Und ich ergebe mich, Carr. Ich schwenke sozusagen die weiße Fahne, ich falle auf die Knie – alles, was Sie wollen. Holen Sie mich wieder zurück, bitte. Ich verspreche, daß ich keinerlei Gegenwehr leisten werde.«
    »Sie verstehen immer noch nicht, Khalid«, erklärte ich langsam, fast bedächtig. »Wir können Sie nicht zurückholen.«
    Wir hörten ihn alle nach Luft schnappen, und man konnte sich auch einbilden, seine Gedanken rasen zu hören.
    »Das ist nicht wahr!« rief er schließlich. Es klang mehr argwöhnisch als entsetzt. »Sie versuchen irgendeinen Trick, Carr.«
    »Ich habe keine Tricks mehr nötig.«
    »Sie dürfen mich nicht einfach umkommen lassen, Carr. Das wäre Selbstjustiz. Ich habe mich ergeben; Sie müssen mich Ihren Gerichten überantworten…«
    Ich spürte Abscheu in mir aufsteigen. Er versuchte immer noch stolz zu klingen, Herr der Lage zu bleiben, aber im Grunde winselte er um sein Leben. Und es war übelkeiterregend, wie er sich jetzt auf das Gesetz berief, das er bedenkenlos in jeder Hinsicht zu übertreten bereit gewesen war, als er noch die stärkere Position innegehabt hatte.
    »Sie haben noch für fünf Stunden Sauerstoff«, erwiderte ich kalt, »und dann werden Sie sterben, Khalid. Und kein Gott und kein Prophet wird es verhindern.«
    »Das können Sie nicht machen, Carr. Sie müssen mich reinholen…«
    »Sagen Sie mir, wie.«
    »Sie haben diese freifliegende Montageplattform. Die, mit der Sie versucht haben, unseren Anflug aufzuhalten. Ich weiß, daß Sie sie fernsteuern können und daß sie einen sehr großen Aktionsradius hat. Damit können Sie mich anfliegen und bergen.«
    »Die Tanks dieser Plattform sind trockener, als es der Wüstensand um Mekka nach Ihrem Energieangriff gewesen wäre«, versetzte ich mit grimmiger Genugtuung. »Wir haben den gesamten Treibstoff aufgebraucht, als wir versuchten, Ihre Raumkapsel aus dem Kurs zu drängen.«
    Er suchte fieberhaft nach einem Ausweg. »Unsere Raumkapsel!« fiel ihm ein. »Unsere Raumkapsel hat noch mehr als genug Treibstoff. Damit könnten Sie mich ohne weiteres erreichen.«
    »Wenn Sie nicht alle Steuerungseinheiten demontiert hätten«, erinnerte ich ihn. Was ich von der Zumutung hielt, mit so einem abenteuerlichen Raumgefährt irgendwelche Rettungsaktionen zu unternehmen, ersparte ich ihm.
    »Aber der Treibstoff! Sie könnten ihn in die Plattform umpumpen…«
    »Die Plattform treibt in etwa fünf Kilometern Entfernung und ist im Augenblick nicht beweglicher als ein beliebiges Stück Weltraumschrott.«
    Pause. Er gab nicht so leicht auf. »Es gibt doch eine Art Raketenantriebe für Raumanzüge…«
    »Die gibt es«, nickte ich. »Der nächste Shuttle bringt welche mit.«
    »Der Shuttle!« Er schrie es fast. »Der Shuttle ist manövrierfähig. Wann kommt er?«
    »Frühestens fünfzig Stunden nach Ihrem Tod.«
    »Er soll eher starten!«
    »Zur Zeit ist kein Shuttle startbereit. Ihre Sabotageteams haben ganze Arbeit geleistet, Khalid.«
    Er war am Ende, und allmählich begriff er es. Seine ganze Überlegenheit war verschwunden, nackte Panik schüttelte ihn. »Die Station selber! Die Station ist manövrierfähig – sie muß nach der Sonne ausgerichtet werden – sie muß Reibungsverluste ausgleichen können… Sie können sie schwenken, Carr, und

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