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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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überlaute Geräusch meines eigenen Atems in dem von innen beschlagenen Raumhelm. Die waghalsigen Balanceakte am Rand der Unendlichkeit. Khalid, wie er durch den grellen, sonnendurchglühten Riß in der Solarfläche schwebte wie in eine bessere Welt.
    »Er hat tatsächlich nicht gewußt, wie dünn die Folie ist«, meinte ich leise. Ich hätte gern ungläubig den Kopf dazu geschüttelt, aber die Schmerzen in meiner Schulter erstickten derlei Bewegungsversuche bereits im Ansatz. »Er hat geglaubt, er könne auf der Solarfläche landen und zurückklettern, um mich endgültig umzubringen.« Ein Zeitungsartikel fiel mir ein, in dem jemand die Folie mit Blattgold verglichen hatte – genauso dünn, genauso teuer. Das stimmte nicht ganz: die Folie war, alles in allem gerechnet, weitaus teurer als Gold.
    »Er hätte eines der Spannseile erwischen können, auf denen der Roboter sich fortbewegt«, gab Jayakar zu bedenken. »Dann hätte es anders ausgesehen.«
    »Er hat aber keines erwischt.« Ich sah den Kybernetiker an. »Was ist mit den anderen Halunken?«
    Jayakar zuckte die Schultern. »Der, den sie Sven nannten, ist tot. Sakai ist in der Steuerzentrale, verschnürt wie ein Weihnachtspaket, und es ist kein Wort aus ihm herauszubringen.«
    »Tot? Wieso tot?«
    »Während Sie draußen waren, haben wir die Brücke mit Stickstoff geflutet. Da wir keine Waffen hatten, warteten wir vorsichtshalber ziemlich lange, ehe wir die Brücke schließlich stürmten. Und der Skandinavier war wohl etwas kurzatmig…«
    Ich nickte sinnierend und ganz, ganz behutsam. Ich dachte an Iwabuchi und Oba, und es tat mir kein bißchen leid um irgendeinen der Piraten. Auch nicht um diesen schweigsamen Mann, von dem wir nicht viel mehr erfahren hatten als seinen Rufnamen und der ansonsten die ganze Zeit nur unauffällig im Hintergrund gearbeitet hatte. Er war dabeigewesen, und das sicher nicht deshalb, weil Khalid niemand anderen hätte auftreiben können.
    »Ihr beiden könnt mir ein bißchen helfen«, nickte ich Jayakar und Yoshiko aufmunternd zu. »Ich will in die Steuerzentrale.«
    »Warum denn?« begehrte Yoshiko auf. »Du wirst dort nicht gebraucht. Du kannst dich ausruhen…«
    »Eine Rechnung ist noch offen«, beharrte ich. »Und die will ich begleichen.«
    Sie widersprachen nicht mehr. Vielleicht waren sie auch nur neugierig.
    Jedenfalls stützten sie mich auf dem Weg den Knotentunnel hinauf, so daß ich meinen rechten Arm nicht benutzen mußte. Alles andere war kein Problem; schließlich ist Schwerelosigkeit wie geschaffen für Kranke und Verletzte.
    Moriyama kam mir entgegen, als ich durch das Brückenschott schwebte, und er sah mich lange an, während in seinem Gesicht die starre asiatische Förmlichkeit einen hoffnungslosen Kampf gegen die Gefühle focht, die ihn bewegten. Am liebsten hätte er mich wohl umarmt und an sich gedrückt, und nur der Anblick meiner Wunden und Verbände hielt ihn davon ab. Und, ehrlich gesagt, mein Schulterverband sah tatsächlich noch zerbrechlicher aus, als ich mich fühlte. So beschränkte sich der Kommandant auf einige anerkennende Worte, die er in einem hastigen Japanisch sprach, von dem ich nicht einmal die Hälfte verstand, und einen heftigen Händedruck unserer beiden linken Hände.
    Ich warf einen flüchtigen Blick auf die erbärmliche Gestalt Sakais, der an Händen und Füßen gefesselt und an einer Sitzstange im Hintergrund festgebunden war. Der ehemalige Funker der NIPPON starrte blicklos vor sich hin und wirkte mehr tot als lebendig.
    Seinen Platz an den Kontrollen von Funk und Radar nahm jetzt Kim ein. Ich fragte mich, ob er schon wußte, welche Schweinerei ich in seinem Labor angerichtet hatte. Offenbar nicht; jedenfalls sah er mich ganz arglos und zuvorkommend an.
    »Wir haben Khalid auf dem Radarschirm«, erklärte er. »Aber auf Funkanrufe reagiert er nicht. Wissen Sie, was mit ihm ist?«
    »Er ist tot.«
    »Ah so«, nickte der Metallurg, und er bemühte sich vergebens, sich seine Beklommenheit nicht anmerken zu lassen. »Das erklärt vieles.«
    Ich deutete auf die Kopfhörer-Mikrophon-Kombination, die er trug. »Geben Sie ihn mir«, forderte ich ihn auf.
    Kim blinzelte verwirrt. »Ich denke, er ist tot?«
    »Das ist er auch«, nickte ich düster. »Er weiß es nur noch nicht.«
    Kim starrte mich nur an und verstand kein Wort. Wahrscheinlich zweifelte er jetzt wieder an seinen Fremdsprachenkenntnissen. Ich nahm die Kopfhörer, die er mir zögerlich reichte, setzte sie auf, zog das Mikrophon vor

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