Solarstation
Schließlich hatte ich es selber bis vor einer halben Stunde nicht gewußt. »Woher?«
»Du hast mir einmal erzählt, daß du immer hierherkommst, wenn du deine Mitte suchst.«
»Tatsächlich?« Daran erinnerte ich mich nicht mehr. »Und das hast du dir gemerkt?«
»Ja.«
Ich sah sie an, ihren weich geschwungenen Mund, ihre unglaublichen, dunklen Augen, und dieser Anblick beraubte mich schlagartig meiner sämtlichen Verstandeskräfte. Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte sagen können, und so sagte ich lahm: »Mußt du denn nicht arbeiten?«
Sie lächelte nachsichtig, und dabei beschlich mich das unangenehme Gefühl, daß sie mich vollkommen durchschaute. »Leonard, Astronomen arbeiten immer nachts.«
Ich nickte verkrampft. »Ach ja. Logisch.«
Wieder Pause. Yoshikos Blick glitt über den Strand und das Meer, dann sah sie mich wieder an.
»Ich habe gehört, du gehst fort?«
Ich machte eine unbestimmte Geste. »Vielleicht.«
»Du weißt es noch nicht?«
»Ich denke noch darüber nach.«
Sie nickte. »Ich gehe vielleicht auch fort. Ich habe mich um eine Stelle an der Universität von Tacoma beworben, und wie es aussieht, habe ich sehr gute Chancen. Was meinst du, soll ich dort hingehen, wenn ich die Zusage bekomme?«
»Tacoma?« Ich sah sie an, grenzenlos verblüfft. »Doch nicht das Tacoma, das südlich von Seattle liegt?«
»Doch, genau das.«
»Dort hast du dich beworben?«
»Ja.«
»Und warum?«
Sie antwortete nicht. Ein zartes Lächeln erschien in ihrem Gesicht, langsam wie ein Sonnenaufgang, und mir wurde plötzlich warm ums Herz. Als sie sprach, war ihre Stimme dunkel und sehnsüchtig.
»Wir haben es nie bei Schwerkraft getan, Leonard.«
Ich sah in ihre Augen, und diesmal las ich mehr darin als bloßes Verlangen. Es sind immer die gleichen Geschichten, die einem passieren, dachte ich.
»Das kann man ändern«, sagte ich rauh. »Man kann alles ändern.«
ENDE
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