Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
auch!
    Allmählich war ich wieder imstande, meine Umgebung wahrzunehmen. Wir schwebten am unteren Ende des Knotentunnels, und Yoshiko trug einen Raumanzug, dessen Vorderseite mit Blut verschmiert war. Meinem Blut vermutlich. Ich sah an mir herunter, soweit es mein schmerzender Nacken zuließ, und sah einen durch und durch mit Blut getränkten Bordoverall. Scheußlich. Ich hätte es sogar scheußlich gefunden, wenn es jemand anders gewesen wäre.
    Dann entdeckte ich meine rechte Hand, und ich mußte eine ganze Weile daraufstarren, bevor ich begriff, daß es sich bei diesem häßlichen, blauschwarzen Etwas um meinen Zeigefinger handelte. Falls ich je hätte Klavierspielen lernen wollen, dann war der Zeitpunkt jedenfalls verpaßt.
    Yoshiko hatte meinen Blick verfolgt, und jetzt schaute sie richtig bekümmert drein. Sie sah hinreißend aus, wenn sie so dreinblickte.
    »Oh, Leonard…«
    Ich sah sie nur an und dachte an die Stunden, die wir zu zweit in der Wäschekammer verbracht hatten. Warum verliebte ich mich eigentlich immer in fremdländische Frauen? Wie brachte ich es fertig, mich wie Hackfleisch zu fühlen und trotzdem an Sex zu denken?
    »Wie sieht der Rest von mir aus?«
    »Deine rechte Schulter sieht ziemlich schlimm aus, und auch dein rechter Arm, und sonst…« Ihr Blick glitt prüfend über meinen Körper, und als sie mir in die Augen sah, begriff sie erst die Anzüglichkeit in meiner Frage. Ein kokettes Lächeln huschte über ihr Gesicht wie ein rascher Lichtreflex, und dann schlug sie scheu die Augen nieder, als fürchte sie um ihren Ruf als wohlerzogenes und anständiges japanisches Mädchen. »Ich muß dir jetzt einen Verband anlegen.«
    Ich biß während dieser Prozedur tapfer die Zähne zusammen. Wahrscheinlich war ich nach den Puppen, an denen wir alle derlei Dinge während des obligatorischen Erste-Hilfe-Kurses geübt hatten, das erste lebende Wesen, an dem sie ihre Kunst erprobte. Ich konnte zwar nicht beurteilen, wie gut sie als Astronomin war, aber falls sie ihren Beruf verfehlt haben sollte, dann bestimmt nicht den der Krankenschwester.
    Als sie endlich fertig war, atmete ich auf und fragte: »Findest du nicht, daß ich ein Held bin?«
    Sie nickte mit ihren großen dunklen Augen. »Oh, ja. Ganz bestimmt.« Spätestens nach dieser Verbindeaktion.
    »Und hat sich ein Held nicht einen Kuß verdient?«
    Sie lächelte, verheißungsvoll diesmal, und beugte sich dann über mich, um mich mit einem langen, einem geradezu unglaublichen Kuß zu beglücken. Warum hatte ich mir eigentlich jemals Sorgen gemacht? Mit diesem Kuß hätte sie mich zweifelsohne auch von den Toten auferwecken können.
    Jemand räusperte sich vernehmlich. Wir ließen uns nicht stören. Er räusperte sich ein zweites Mal, noch vernehmlicher diesmal, und wir sahen einigermaßen unwillig auf.
    Es war Jayakar.
    »Es tut mir ausgesprochen leid, die Behandlung zu stören«, sagte er mit verlegenem Grinsen. »Kapitän Moriyama läßt fragen, wie es Ihnen geht.«
    Ich mußte unwillkürlich lachen, und das geriet zu einer Art Husten, der meinen ganzen Körper erschütterte. »Was glauben Sie denn, wie es mir geht?«
    »Nun«, meinte er mit verhaltenem Spott, »ich würde sagen, Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung.«
    »Ja«, nickte ich mit schmerzlichem Lächeln. »Notgedrungen, weil mir ein anderer Weg nicht bleibt.«
    » Come on, Carr«, erwiderte Jay augenzwinkernd, »übertreiben Sie doch nicht so schamlos, nur um vor Ihrer Herzensdame gut dazustehen – die paar Kratzer und Schrammen, das haut doch einen Burschen wie Sie nicht um…«
    Ich weiß noch, daß mir auf diese Frechheiten eine sehr gute und sehr passende Bemerkung einfiel, aber ich weiß nicht mehr, welche. Gerade in dem Augenblick, als ich antworten wollte, hallten plötzlich unüberhörbare Schläge durch den Knotentunnel – laute, metallische Schläge, die in mir sofort das entsetzliche Vorstellungsbild entstehen ließen, Khalid säße außen an der Station und hämmere mit irgendeinem harten Gegenstand auf die Außenhülle ein. Wilde, kampfbereite Angst wallte in mir hoch und spülte die geistreiche Eingebung hinweg.
    Jayakar hatte meinen panischen Blick gesehen und richtig gedeutet, denn er beruhigte mich sofort: »Das ist Spiderman. Wenn man ihm nicht ausdrücklich sagt, daß er still sein soll, dann macht er einen ziemlichen Lärm, was? Kim hat ihn losgeschickt, um das Loch in der Solarfläche zu reparieren.«
    Jetzt fiel mir alles wieder ein. Der Kampf. Das

Weitere Kostenlose Bücher