Soldaten
mit der Munition, und die wissen, wo noch mehr Munition liegt, dann schießen sie vielleicht mich selber über den Haufen. Ehe die mich über den Haufen schießen, erschieße ich sie, und die anderen sind durchsucht. Es ist gut, dass Sie keine Munition haben, Sie können jetzt mit Ihren Frauen, Richtung da runter, drei Kilometer gehen.‹ Da waren sie zufrieden, fuhren ab. Ich habe mich nie nach was gerissen. Ich habe jeden Scheißdreck mitgemacht, aber nicht: ›Ich will mit!‹ Das habe ich nie gemacht.
Sommers Einheit, das Panzergrenadierregiment 29, hatte sich bereits in Italien zahlreiche Verbrechen zuschulden kommen lassen. [231] Die Geschichte aus Frankreich bezieht sich auf Verbrechen im Raum von Robert Espagne in der Region Lothringen, wo die Einheit am 29. August 1944 insgesamt 86 Franzosen ermordete. [232]
Sommer nimmt in zwei Hinsichten eine distanzierte Position ein zu dem, was er erzählt: Zum einen sucht er im Unterschied zu seinem Oberleutnant nach einer Legitimation für die Erschießung von Zivilisten und findet sie etwa in der Munition, die seine Opfer bei sich tragen. Diese Legitimation richtet sich nach außen, an die Umstehenden, gleichermaßen wie nach innen – offenbar braucht Sommer eine Begründung für das, was er tut, eine Rückversicherung, dass es sich dabei nicht einfach um Mord handelt. Und zweitens betont er, nicht aus freien Stücken so gehandelt zu haben – mitgemacht habe er zwar jeden »Scheißdreck«, darum gerissen aber habe er sich nicht. Auch hier findet sich implizit jene Differenzierung der Männer untereinander, die schon an Müllers Erzählung deutlich wurde: Es gibt auch unter denen, die Verbrechen begehen, willige und weniger willige Vollstrecker, und zu den willigen möchten die meisten doch lieber nicht zählen.
Eine legalistische Begründung für die Art der Ausführung des Verbrechens findet sich auch bei Feldwebel Gromoll:
GROMOLL : In Frankreich haben wir mal vier Terroristen gefangen. Die kommen erst in ein Verhörlager und werden gefragt, wo sie die Waffen herhaben usw., und dann ganz legal werden sie erschossen. Da kam eine Frau, die sagte, seit zehn Tagen halten sich in einem Haus wahrscheinlich Terroristen versteckt. Wir sofort einen Trupp fertiggemacht, hingewetzt – richtig, waren vier Mann drin. Die waren da drin beim Kartenspielen und so. Jetzt haben wir die festgenommen, weil es vermutlich Terroristen sind. Du kannst die nicht so ohne weiteres beim Kartenspiel erschießen. Da haben sie da nach Waffen gesucht, und ich glaube, die Waffen, die waren so irgendwie im Kanal. Da haben sie die reingeschmissen. [233]
Gromolls Geschichte lässt sich nicht genau rekonstruieren, aber sie deutet zumindest an, dass es selbst dann, wenn
keine
Waffen gefunden werden, Möglichkeiten gibt, aus Kartenspielern Terroristen zu machen: Sie können ihre Waffen ja auch in den Kanal geworfen haben. Legalistische Strategien dieser Art zeigen, dass es den Männern offenbar wichtig ist, bei ihren Tötungen auf eine formale Struktur zurückgreifen zu können, einen Rahmen, der die Taten legitimiert, auch wenn sie faktisch völlig willkürlich sind. In Vietnam hieß die analoge Regel: »Wenn er tot und Vietnamese ist, dann ist er ein Vietcong.« Ganz ähnlich erzählt der bereits erwähnte Obergefreite Diekmann über Erschießungen in Frankreich kurz nach der Invasion der Alliierten:
BRUNDE : Warum haben dann die Terroristen eure Stellung angegriffen?
DIEKMANN : Die wollten unsere [Radar-]Geräte stören. Das war doch deren Auftrag. Wir haben auch einige Terroristen lebendig erfasst. Die haben wir gleich kaltgemacht. Das war ja auf Befehl. Ich habe mal einen französischen Major eigenhändig erschossen.
BRUNDE : Woher wusstest du, dass er Major war?
DIEKMANN : Er hatte Papiere. Nachts ist geschossen worden. Da kam der mit einem Fahrrad angefahren. Nach dem Dorf runter schossen sie immer noch von uns aus mit MG s in die Häuser. Das ganze Dorf war ja verseucht.
BRUNDE : Da hast du den angehalten?
DIEKMANN : Wir waren mit zwei Mann, es war noch ein Kapo dabei. Er – herunter vom Fahrrad, gleich die Taschen nachgesucht, Munition, das besagt schon genug. Sonst hätte ich ihm ja nichts tun dürfen, du kannst nicht einfach so einen übern Haufen knallen. Der Kapo hat ihn noch gefragt, ob er Terrorist ist, er hat nichts gesagt; ob er einen Wunsch hat – nichts. Hinten durch den Kopf geschossen. Der hat nichts von seinem Tod gemerkt.
Wir haben auch mal eine Spionin bei
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