Soldaten
deutlichste Sprache über den Alltag der Gewalt, in dem sie lebten. Kein Verbrechen ist ihnen fremd. Selbst über das Töten von Frauen und Kindern wird regungslos gesprochen. Erneut kommt hier ein Fallschirmjäger zu Wort:
ENZIEL : Der Oberjäger Müller aus Berlin, das war ein Scharfschütze, der hat die Frauen, die mit Blumensträußen auf die Tommies zugingen, erschossen. Der hat aber genau ... wo was erwischt haben, angelegt, und ganz kaltblütig die Zivilisten erschossen.
HEUER *: Habt ihr Frauen auch erschossen?
ENZIEL : Nur aus der Ferne. Die wussten nicht, wo der Schuss herkam. [229]
Man weiß nicht, wo der Unterschied zwischen der berichteten »kaltblütigen« Handlung des Scharfschützen Müller und dem eigenen Erschießen von Frauen aus der Ferne liegt, den Enziel offenbar für wichtig hält. Heuer, wiederum ein Spitzel der Briten, versucht hier möglichst viel über mögliche Kriegsverbrechen zu erfahren und fragt routiniert nach: »Habt Ihr Frauen auch erschossen?«
Auch der Obergefreite Sommer spricht, wie Enziel und wie Müller, über eine Referenzperson, nämlich seinen Oberleutnant:
SOMMER : Auch in Italien, in jedem Ort, wo wir hinkamen, sagte der immer: ›Erst mal ein paar umlegen!‹ Ich kann ja nun auch italienisch, hatte nun immer die besonderen Aufgaben. Da sagte er: ›Also, zwanzig Mann umlegen, dass wir erst mal Ruhe haben hier, dass die nicht auf dumme Gedanken kommen!‹ (Gelächter) Dann machten wir einen kleinen Anschlag, da hieß es: ›Geringste Bockigkeit – kommen noch fünfzig dazu.‹
BENDER : Nach welchem Gesichtspunkt hat er die ausgesucht? Die hat er so wahllos rausgegriffen?
SOMMER : Ja, ja. Einfach so zwanzig Mann: ›Kommen Sie mal her.‹ Alle auf den Markt rauf, und dann kam einer mit drei MG s – rrr – rum – lagen sie alle da. So ging es dann los. Dann sagt er: ›Prima! Schweine!‹ Er hat eine Wut auf den Italiener gehabt, das glaubst du gar nicht. Im Quartier, wo der Bataillonsstab wohnte, da waren immer so ein paar hübsche Mädchen. Da hat er den Zivilisten nichts gemacht. Wo er wohnte, da hat er grundsätzlich nichts gemacht. [230]
Das gemeinsame Lachen über die Aktionen lässt erkennen, dass die beiden Soldaten nichts grundsätzlich verwerflich an Sommers Bericht finden. Die Reaktion von Bender kann übrigens nicht verwundern. Er gehörte zum Marine-Einsatzkommando 40, einer Spezialeinheit von Kampfschwimmern, in der es einen besonderen Härtekult gab.
Dass der Oberleutnant dort, wo er einquartiert war, keine Verbrechen anordnete, ist ein interessantes Detail – offensichtlich wollte er nicht das Risiko eingehen, sexuelle Gelegenheiten auslassen zu müssen. Sommer erzählt weiter, nun aus Frankreich:
SOMMER : Da sagte der Oberleutnant: ›So, jetzt holst du mir alle Zivilisten zusammen!‹ Also, es war nur eine Panzerspähaufklärung gewesen. ›In Kürze werden die Amerikaner sowieso hier erscheinen‹, sagte er, ›da haben wir sowieso Rabbatz. Also ich organisiere jetzt hier die Sache. Hier hast du zwei Gruppen; mit den zwei Gruppen muss alles hier herangeholt werden, was an Zivilisten da ist.‹ Stell dir mal vor, so eine Stadt mindestens von 5000 bis 10 000 Einwohnern ranholen! Das war ja die Strecke auf der Hauptstraße nach Verdun. Da kommt nun das ganze Volk – haben sie sie getrieben aus den Kellern. Aber Partisanen, Terroristen haben sie keine gehabt. Sagt der Alte zu mir: ›Also, Männer umlegen! Klar – alle Männer, egal was!‹ Da waren über 300 Männer nur allein. Vier Stück habe ich durchsucht, da habe ich gesagt: ›Alle Hände hoch, und jeder, der die Hände jetzt runter nimmt, wird erschossen.‹ Bei zweien – es waren junge Burschen, so 17 bis 18 Jahre – habe ich so Munition gefunden, also Päckchen Munition usw. Ich sage: ›Von wo habt ihr das?‹ – ›Als Souvenir.‹ – ›Gleich drei Pakete jeder?‹, sage ich. Na, dann habe ich sie rausgestellt – teng, teng, teng – drei Schuss – da waren sie umgefallen. Da stutzten die anderen. Ich sage: ›Sie haben gesehen, dass wir nicht ungerecht gehandelt haben. Sie haben Munition – was haben Sie als Zivilisten mit drei Paketen Munition zu tun?‹ Immer so, dass ich gedeckt war. Haben sie alles vollkommen zugegeben. Vielleicht noch ... haben gesagt: ›Du Schwein!‹ und so, aber ich habe gesagt: ›Bitte schön, das ist der Grund, warum die Leute jetzt erschossen werden. Wir müssen uns schützen. Denn, wenn ich die Leute jetzt laufen lasse
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