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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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morgens bei eisiger Kälte vor dem Kasernenblock angetreten stehen und der Tagesparole des Hörsaalleiters zuhören, gehen die beiden Freiwilligen in aller Ruhe zur Küche und holen den Tee ab. Und wenn wir Ausbildungsmaterial beim Zeugwart entgegennehmen und an den Ort seiner Verwendung schleppen, sind die beiden mit ihren Teeeimern fein raus. Ich nehme mir vor, mich als Erster zu melden, wenn in der nächsten Woche zwei andere Teeträger gesucht werden.
    Wenn ich schon mal in Bayern bin, dann will ich mir auch etwas davon ansehen. Mit einigen meiner Lehrgangskameraden fahre ich am Wochenende in die nahe gelegene Ortschaft im Tal. Wir lassen die bayerische Bergkulisse auf uns wirken und es kommt ein wenig Urlaubsstimmung auf. Beim Abendessen in der Kaserne verabrede ich mich mit meinen Kameraden zu einem Besuch der legendären »Kutsche«. Da beim Bund immer schon um 16:30Uhr zu Abend gegessen wird, haben wir noch Zeit. Ich verbringe sie damit, umherzuschlendern und mich umzuschauen. Als ich um die Ecke eines Flurs biege, traue ich meinen Augen kaum: Vor mir steht ein Getränkeautomat. An sich nichts Außergewöhnliches, aber einen wie diesen habe ich noch nirgendwo auf einem Kasernengelände gesehen. Es ist ein Bierautomat! Man kann sich Weizenbier in verschiedenen Variationen ziehen. Das probiere ich natürlich sofort aus und werfe ein Fünfmarkstück in den Geldschlitz. Der Automat rumpelt und zwei gut gekühlte Flaschen Bier rollen sanft nacheinander ins Ausgabefach dieses Wundergerätes. Klasse! Von diesem Zeugnis bayerischer Lebensart muss ich meinem Vater unbedingt erzählen, wenn ich zurück bin. So etwas Tolles gab es bestimmt nicht einmal bei der NVA. Meine Kameraden auf der Stube wollen sich selbst von der Existenz dieses Bierautomaten überzeugen, als ich ihnen davon erzähle.
    Als wir zur »Kutsche« aufbrechen, haben wir alle schon leichte Schlagseite. Am Kasernentor fragen wir die Wache nach dem Weg. Der Soldat schaut uns mit einem breiten Grinsen an. Als er uns die Marschroute beschrieben hat und wir aufbrechen, fällt mir auf, dass er uns irgendwie mit schelmischwissendem Blick nachschaut. Unterwegs male ich mir gemeinsam mit den Kameraden aus, was uns wohl erwartet. Wir stellen uns vor, dass die Diskothek wie ein Oktoberfestzelt aussehen wird, von hübschen bayerischen Mädels besucht, deren pralle Oberweite in zünftigen Dirndln steckt. Jeder von uns hat schon einiges von der »Kutsche« in Altenstadt gehört. In unserer Vorfreude erwarten wir mitten in der Provinz den absoluten Hammerladen vorzufinden. Umso größer ist unsere Enttäuschung, als wir ankommen. Es ist ein einstöckiges schmuckloses Gebäude irgendwo außerhalb, wie es jeder wohl unter der Bezeichnung »Dorfdisco« kennt. Dementsprechend ist das Publikum: Dorfjugend. Die Einrichtung besteht aus rustikalen Holztischen und Stühlen. Wagenräder und Deichseln ausgeschlachteter alter Holzkutschen hängen als Dekoration an den Wänden und Decken. Die schummerige Kerzenbeleuchtung in Verbindung mit dem dicken Zigarettenqualm lässt mich annehmen, eher in einem Westernsaloon zu sein als in einer Disco, wie es mir so vollmundig in Aussicht gestellt worden war. Den anderen steht die Enttäuschung ebenso deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Der Türsteher, der auch im Laden seine Runden macht, scheint ebenfalls aus einem Baumstamm geschnitzt zu sein. »Holzmichel« fällt mir bei seinem Anblick ein. Er behält seine betrunkene Kundschaft genau im Auge. Auftreten und Statur lassen keinen daran zweifeln, dass er den Saal zur Not auch ganz allein räumen würde. Aber das soll unsere Sorge nicht sein. Immerhin ist es hier warm und ein paar Mädchen sind auch da. Wir beschließen zu bleiben und uns zu amüsieren. Allein die Einheimischen geben uns reichlich Anlass dazu. Wir sind ausgelassen und fühlen uns auch zahlenmäßig einer möglichen Massenkeilerei gewachsen. Es dauert nicht lange und zwei der Mädels, zu denen wir Blickkontakt aufgenommen hatten, gesellen sich zu uns. Ihrem Gang ist anzumerken, dass sie bereits mehr als ein Bier getrunken haben. Eine setzt sich zu mir auf die Bank und fragt: »Ja hobts ia scho a Wurfeckn oagricht?« Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es an ihrem Alkoholpegel oder Dialekt liegt, aber ich muss halb zu ihr hinübergebeugt zurückfragen: »Was ist eine Wurfeckn?« Statt zu antworten, trinkt sie mit einem großen Schluck ihre Bierflasche leer, hält sie mir erklärend entgegen und schleudert sie anschließend mit

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