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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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die Maschine beginnt unter der Kraft der Propellermotoren zu vibrieren. Mir schießt der Gedanke durch den Kopf, was wohl passiert, wenn ich nach dem Absprung ohnmächtig werde. Würde ich das überleben? Und was, wenn sich dann mein Schirm nicht richtig öffnet? Ich könnte in dem Fall ja nicht einmal die Reserve ziehen. Und wenn man nicht weit genug aus dem Flugzeug hinausspringt, erfasst einen der Luftstrom um die Maschine, man schlägt gegen die Bordwand und wird möglicherweise auf die andere Seite der Maschine gewirbelt, wo ein anderer Springer gleichzeitig abgesetzt wird.
    Die Grübelei findet mit den Anweisungen des Absetzers ein jähes Ende. Laut brüllt er gegen die donnernden Motoren der Transall an: »Fertig machen!« Er macht dabei einen Ausfallschritt und stößt die flache Hand wie ein Surfer nach vorne. Die beiden Sprungreihen an der Bordwand, zu denen auch ich gehöre, lösen den Sicherheitsgurt und beugen sich einmal nach vorne. Dann heißt es »Aaaaufstehn!« Die Handinnenfläche des Absetzers ist bei der hebenden Bewegung nach oben gerichtet. Wir erheben uns, klappen die Sitze an die Bordwand und befestigen sie mit dem dafür bestimmten Flachgurt. Schon erfolgt das nächste Kommando: »Einhaken!« Der Absetzer formt mit Daumen und Zeigefinger ein C und macht eine Einhakbewegung. Wir klinken den Karabinerhaken unserer Aufziehleine an der Ankerleine ein, einem Stahlseil, das oberhalb der Köpfe mittig zwischen den beiden Sprungreihen einer Bordseite verläuft. In dem Moment, in dem wir abspringen, wird diese gelbe Leine gestrafft und soll die Packhülle vom Fallschirm reißen. Der Schirm wird dadurch automatisch geöffnet. Ein dicker Draht, den wir durch ein kleines Loch am Karabinerhaken stecken und umknicken, soll verhindern, dass der Haken sich versehentlich öffnet. Die Absetzer gehen ihre jeweilige Sprungreihe ab und überzeugen sich bei jedem Einzelnen von uns, dass er richtig eingehakt ist und die Aufziehleine ihren Zweck erfüllen kann.
    Ein Schlag mit der flachen Hand auf das Schirmpaket ist das Zeichen, dass alles in Ordnung ist. Die Absetzer begeben sich an die Sprungtüren, öffnen sie und klappen die Türen seitlich weg. Dann beugen sie sich aus der Türluke hinaus und prüfen, ob außen an der Maschine nichts im Weg ist, was die Springer verletzen oder behindern könnte. Als der Absetzplatz in Sichtweite ist und die Grenzen der Landezone sichtbar werden, lehnt sich ein Absetzer zurück zu uns in die Maschine und ruft: »Straaaße!« Als Zeichen, das verstanden zu haben, antworten wir wie aus einer Kehle: »Straaaße!« Das von ihm folgende »Eisenbahn!« wird wie ein Echo von uns wiederholt. Dann heißt es »Vorrücken!« Mit einer entsprechenden Geste wird uns signalisiert, an die offene Tür des Flugzeuges heranzushuffeln. Es ist eine Art Gleitschritt, denn würde man versuchen, einfach zu gehen, wäre an Bord ein einziges Stolpern und Stürzen. Der Wind, der durch die offenen Hecktüren dringt, verursacht einen Höllenlärm. Die Transall fliegt jetzt in 350bis 400Meter Höhe mit einer Absetzgeschwindigkeit von 240km/h. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt. »Gleich ist es so weit, gleich ist es so weit! Gleich, gleich, gleich!«, ist der einzige Gedanke, der mich in diesem Moment erfüllt. Und tatsächlich, die rote Leuchte über der Tür schaltet auf Grün. Ein Hupsignal durchdringt meinen ganzen Körper. Ich weiß, was ich zu tun habe.
    Nachdem der erste Kamerad, der in Absprunghaltung in der Tür steht, mit einem flachen Schlag auf die Schulter sein »Ab!« erhält und einfach aus dem Blickfeld verschwindet, geht alles rasend schnell. Wie die Lemminge folgen wir mit starrem Blick und leerem Hirn seinem Beispiel. »Hopptausend, zwotausend, dreit…!« Bevor ich weiß, wie mir geschieht, hat sich mein Fallschirm mit einem harten Ruck geöffnet. Völlig selbstverständlich greife ich in die Fangleinengurte über mir und rufe: »Überprüfe Kappe!« In voller Pracht haben sich die 83Quadratmeter olivgrünen Nylons zu einer Rundkappe mit 10 Meter Durchmesser geöffnet. Erleichtert schaue ich mich nach anderen Springern um, die mir gefährlich nahe kommen könnten. Die Worte »Halte Umschau!« verlassen kaum noch hörbar meine Lippen. Während der Wind mich der Erde entgegenträgt, erfasst mich ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Die Stille um mich herum und das Gefühl, frei wie ein Vogel zu sein, erfüllen mich mit Ruhe. Ich habe soeben den ersten Flug meines Lebens mit einem

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