Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Ohlrich und Buchner empfindet, aber es gelingt ihm nicht, dieses Gefühl abzuschütteln. Der Tinnitus pfeift uns die Erinnerung an den 6. März 2002 immer wieder zurück ins Gedächtnis. Wo soll er damit hin? Die beiden sind tot. Es ist niemand mehr da, den er anschreien kann. Niemand, den er dafür verantwortlich machen kann, nicht mehr richtig schlafen zu können, den Klang von Musik als Belastung zu empfinden und Gespräche oder Telefonate zu meiden. Er fühlt sich aber auch schuldig, sie nicht aufgehalten zu haben, ihnen und den anderen damit das Leben und Kindern den Vater gerettet zu haben. Lancer hat das Gefühl, versagt zu haben in einem Moment, in dem es kein Versagen hätte geben dürfen. Er hasst sich dafür und zerstört sich systematisch selbst. Mit wem sollte er reden können? Mit den Leuten vom Sozialdienst, die ihre Amtsstube kennen, aber nicht den Krieg? Mit Ärzten, die für alles Leid die richtige Pille haben? Oder Psychiatern, die selber noch jung und unerfahren im Leben sind? Deren Vorstellung in Schubladen abläuft, in die man einzusortieren ist? Es gibt niemanden. Selbst ich kann es nicht nachempfinden, aber ihm zu sagen, dass er keine Schuld hat, lasse ich sein. Das hat er schon zu oft gehört und gemerkt, dass das, was ihn wirklich belastet, abgetan und nicht ernst genommen wird.
    Er sagt es mir erst während der Entstehung dieses Buches. Wir sehen uns in dieser Zeit oft, reden über die Ereignisse von damals und die Entwicklung seitdem. Es ist ein intensives Jahr, in dem auch meine Tochter Mailin Lotte geboren wird. Ich liebe meine beiden Töchter unendlich und ich hoffe, ich schaffe es trotz meiner seelischen Behinderung, ihnen ein guter Vater zu sein.

EPILOG
    Soldaten stehen für Recht und Freiheit ein. Dazu habe auch ich mich bei meiner Vereidigung verpflichtet. Die Bundeswehr hat mich sehr gut darauf vorbereitet, diese Aufgabe selbst unter widrigsten Umständen zu erfüllen, und mir dabei geholfen, die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit neu zu definieren. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich habe als junger Soldat allerdings nicht geahnt, dass ich dieses Durchhaltevermögen einmal brauchen werde, um gegenüber der Bundesrepublik Deutschland für mein Recht zu kämpfen und damit für das Recht vieler Kameraden, die die Kraft dazu nicht mehr aufbringen.
    Mit der Unterstützung vieler lieber Menschen, unter ihnen einflussreiche Personen und Politiker ebenso wie engagierte Bürger, ist es gelungen, eine Gesetzesänderung zu erwirken. Durch das neue, verbesserte Einsatz-Weiterverwendungsgesetz wird allen Soldaten, die im Einsatz körperliche sowie seelische Wunden davongetragen haben, gleichermaßen geholfen. Wer durch einen willkürlich gesetzten Stichtag ausgegrenzt und sich damit selbst überlassen wurde, soll wieder in die Gesellschaft zurückgeholt werden. Wie gut das gelingt, hängt von der Aufrichtigkeit und Tatkraft ab, mit der das Gesetz letztendlich umgesetzt wird. Ich werde wachsam bleiben müssen. Dass am 28. Oktober 2011 im Bundestag parteiübergreifend und einstimmig für eine gerechtere Versorgung aller im Einsatz verwundeter Soldaten gestimmt wurde, freut mich ganz besonders. Es ist nicht nur eine Genugtuung für all diejenigen, die es konkret betrifft und die bisher vernachlässigt wurden, sondern auch ein Gewinn und eine Anerkennung für alle Soldaten, die selbst unter Lebensgefahr ihren Auftrag für unsere Gesellschaft erfüllen.

Karte von Afghanistan

 
     
     
     
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    Projektkoordination: Constanze Gölz
    Lektorat: Jan Strümpel
    Coverfoto: Steven Haberland
    Fotos im Innenteil: Robert Sedlatzek-Müller
    Covergestaltung, Layout und Satz:
    Groothuis, Lohfert, Consorten, Hamburg | www.glcons.de
     
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    eISBN 978-3-8419-0148-4....