Solheim 01 | EUROPA: Der Beginn einer Dystopie (German Edition)
Zeit im Sec-Team hatte sie einige nützliche Bekanntschaften gemacht, darunter auch ein Physiker, der im Ausbildungszentrum der Eliteeinheiten des Militärs arbeitete. Nachdem sie Isaak kennengelernt und schließlich den Plan gefasst hatte, den Children of Chou zu folgen, hatte sie von eben diesem Kontakt Gebrauch gemacht und nachts inoffiziellen Zugang zu den Trainingssimulatoren gehabt. Sie hatte viel gelernt und viel trainiert in den wenigen Monaten, die ihnen Zeit geblieben war, sich auf die Mission vorzubereiten. Doch ein echtes Schiff in einem echten aufziehenden Sturm zu landen, war für sie dennoch ein Grund, danach den einen oder anderen Drink zu nehmen.
Sie hatten nach der Landung einige Zeit zusammengesessen und getrunken. Niemand dachte mehr an die Streitigkeiten um Lumière. Später waren Isaak und Ninive zu einer ersten Patrouille durch die Umgebung aufgebrochen, um nach dem Verbleib der Children of Chou Ausschau zu halten, die sie während der Landung aus den Augen verloren hatten. Doch als sie wiederkamen, waren sie in Begleitung. Zwei Frauen hatten sich ihnen angeschlossen, eine blasse, schmale Frau, die auf den ersten Blick eher wie ein Mädchen wirkte, und eine dunkelhäutige Schönheit in einem schwarzen Kleid. Lilian hatte Mühe, ihre Augen von ihrem Dekolleté abzuwenden – nicht dass sie es besonders intensiv versucht hätte – als sie die beiden im Schiff begrüßte.
Trotz des angeheiterten Zustands allenthalben hatte sie Isaak zu einem Gespräch zusammen gerufen. Eva – die Lady mit dem Ausschnitt – erzählte ihnen, dass ihre Begleiterin ein Klon sei, und sie ihre Psychologin. Solvejg hatte offenbar ähnlich Fähigkeiten wie Ninive, denn sie konnte die Schiffe der Children of Chou sehen. Oder spüren. Lilian war sich da nicht so sicher. Solvejg stammte auch ursprünglich aus Paris, und ab dem Punkt ließ Lilians Gedächtnis nach.
„Hey, Sonnenschein, alles klar?“, fragte Lilian, als Seamus zu ihr herüber kam. Sie saß auf der Arbeitsplatte der Schiffsküche und ließ die Beine über den Rand baumeln.
„Alles okay, es ist nur die Müdigkeit“, entgegnete Seamus und lehnte sich neben ihr an. „Was sitzt du hier abseits der Party?“
„Die Party war mir zu wild“, erwiderte Lilian ironisch. „Außerdem brauchte ich Platz zum Denken.“
„Wie viel Platz kannst du da schon brauchen?“
„Klappe zu, Junge!“ Lilian gab ihm einen Stoß in die Rippen.
„Autsch!“, kommentierte Seamus. Eine Weile schwiegen sie und starrten jeder auf seine Art ins Leere.
„Weißt du“, begann Lilian schließlich wieder zu reden, „ich mache mir Gedanken um Isaak. Ich will nicht behaupten, er stünde nicht mehr voll hinter uns und unserer Mission, aber ...“
„... aber irgendwas lenkt ihn ab?“, half Seamus. „Ja, das habe ich auch schon bemerkt. Ich glaube, es ist unser blonder Sturkopf, die ihn ablenkt.“
„Woher weißt du das?“ Lilian sah ihn überrascht an.
„Ich bin nicht blind, Lilian. Er war ganz offensichtlich in der Lumière-Sache nicht auf ihrer Seite, aber er hat nicht eingegriffen. Das passt nicht zu ihm.“ Seamus warf ihr einen Seitenblick zu. „Du weißt doch mehr darüber, oder?“
„Bitte frag nicht, Seamus. Nicht jetzt“, sie seufzte leise. Noch vor wenigen Minuten hatte sie sich ruhig und zufrieden gefühlt. Die Euphorie und der Adrenalinschub, nachdem sie das Schiff gelandet hatte, waren abgeebbt aber das warme Gefühl der Zufriedenheit trug sie noch immer. Doch jetzt spürte sie die kalten, langen Finger der Ungewissheit, die sich nach ihr reckten.
„Es fühlt sich so an“, begann sie zögerlich, „als würde heute Nacht etwas enden. Als würde etwas zerbrechen, das nicht zerbrechen darf.“
„Was meinst du?“
„Ich weiß nicht. Es ist, als würde sich etwas ändern, zu dem ich nicht bereit bin ... ach, ich weiß nicht. Es lässt sich nicht beschreiben. Vielleicht ist es aber auch nur die Müdigkeit. Es war ein langer Tag.“
„Du solltest schlafen, morgen sieht die Welt wieder freundlicher aus“, sagte Seamus. Lilian hörte Verunsicherung aus seiner Stimme und bedauerte, ihre düsteren Gedanken ihm gegenüber angesprochen zu haben.
„Gibt es bei euch noch ein Bier?“ Ilyena war in der Küche aufgetaucht und sah neugierig in den Winkeln der Küchenschränke nach.
„Da sind nur Nudeln drin“, versuchte Seamus zu helfen. „Was läuft denn bei euch noch?“
„Hm ...? Auuu! Verflucht!“ Ilyena rieb sich den Hinterkopf, der unsanft mit
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