Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hellmuth Karasek
Vom Netzwerk:
klassisches Repertoire. Machte aus Hamlet und Othello , aus Don Carlos und aus Faust spannende Geschichten, eine Art Scheherazade im Überlebenskampf, »Tausendundeine Nacht« in lebensrettenden Geschichten. Ein makabrer Witz ist, dass Reichs Lebensretter erst nach seinem Tod in Israel, in Yad Vashem, mit einem Baum in der »Allee der Gerechten unter den Völkern« geehrt werden wollte. Wegen des in Polendamals noch latenten Antisemitismus hatte er Reich gebeten, seine »Gastfreundschaft« doch bitte nicht zu seinen Lebzeiten bekannt zu machen.
    Ich erinnere mich an einen Witz, den Reich erzählt hat. Er spielt im Tschechow-Russland, wo die Frau ihrem Hausfreund ein Telegramm folgenden Inhalts schickt:
     
    »Mein Mann fährt als Arzt für ein halbes Jahr nach Sachalin. Dann kannst du herkommen, und wir können uns ungestört mit Vögeln beschäftigen.«
    Darauf telegrafiert der Hausfreund zurück: »Anspielung verstanden, komme nächste Woche.«
     
    Wobei Reich sich beim Erzählen des Witzes das Wort »Anspielung« gestattete, es heißt auf Russisch »Allusio«. Da war er wieder in seinem Element, beim Theater, bei den Illusionen, bei Illusionen und Allusionen.
    Ein wunderbarer Witzeerzähler war auch der Theaterkritiker Georg Hensel, dessen Spielplan wohl die letzte zum Buch geronnene Theatergeschichte des Welttheaters ist, zwei gewichtige Bände. Eine Heidenarbeit. Hensel schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine großartigen Kritiken und liebte es, sich vor dem Theater oder in der Pause oder auch nach dem Theater mit ein paar Witzen zu entspannen. Damals war gerade der Ayatollah nach dem Sturz des Schahs im Iran an die Macht gekommen, bald sollte es dort nichts mehr zu lachen geben. Also erzählte mir Hensel den folgenden Witz:
     
    Ayatollah Khomeini geht in Zürich durchs Rotlichtviertel. Da öffnen sich die Fenster und Türen, und mehrere Prostituierte rufen:
»Komm eini!«
Darauf schüttelt der Ayatollah den Kopf, zeigt mit beiden Händen in Richtung seines Schoßes und sagt:
»Geht nicht. Is lam.«
Ihm folgt unerwartet der Papst, der mit einer siegessicheren Geste fröhlich ausruft:
»Vati kan!«
     
    Das ist ein Witz der totalen Regression in eine kindische Laune, die einen Haufen Unsinn in einen zu großem Gelächter animierenden Sinn verbindet. Schon die Situation ist völlig idiotisch, dass ausgerechnet der Ayatollah, gefolgt vom Papst, durchs Zürcher Rotlichtmilieu schlendert, wobei die Stadt Zürich sich als Schauplatz nur aus dem Umstand herleitet, dass der Name des Ayatollah, Khomeini, nur in Zürich in etwa an ein »Komm herein« heranreicht. Wobei das bescheuerte Wortspiel »Vati kann« nur in diesem Nest von Blödsinn überhaupt gedeihen kann.
    Der Witz war wohltuend in einer religiös fanatisierten Welt, weil er absolut kindisch mit den Widersprüchen der Religion spielte, kindisch (und also anarchistisch und doch blasphemisch). Witze sind dann gut, wenn sie sich in einer spontanen Situation auf einmal wieder als aktuell und passend erweisen.
    Neulich saß ich mit ein paar Juristen zusammen, unter anderem mit Maja Stadler-Euler, die als Rechtsanwältin 1983 den Sieg vor dem Verfassungsgericht gegen die Volkszählung herbeigeführt hatte. Da fiel uns die jetzige Volkszählung ein, und wir sprachen darüber, dass Volkszählungen heute natürlich anders ablaufen. Man muss nicht mehr unendlich viele Haushalte befragen, sondern kann, ähnlich wie bei Wahlprognosen oder Kaufverhalten, hochrechnen. Bei der letzten Volkszählung ging es vor allen Dingen um die Angst vor dem Verlust privater Daten. Und mir fiel ein Witz von damals ein:
     
    Da kommt ein Volkszähler zu einer Vier-Parteien-Villa, ein nackter Mann öffnet ihm die Tür. Der Volkszähler tut so, als bemerke er es nicht, und fragt: »Entschuldigung, ich muss die Menschen zählen, die hier in diesem Haus wohnen. Wer wohnt hier unten in der rechten Wohnung?«
Darauf sagt der Mann: »Da wohne ich mit meiner jetzigen Familie mit drei Söhnen und vier Töchtern.«
Der Volkszähler notiert das und sagt: »Aha. Und wer wohnt in der linken Wohnung?«
»Da wohnen meine Freundin und ihre sieben Kinder, vier Töchter und drei Söhne.«
Wieder notiert der Volkszähler und nickt: »Und oben in der rechten Wohnung?«
Der Mann: »Meine Frau aus erster Ehe mit ihren acht Kindern, vier Mädchen, vier Jungs.«
»Und oben links?«
»Meine Frau aus zweiter Ehe: fünf Kinder, zwei Mädchen, drei Jungs.«
Der Volkszähler sagt: »Vielen Dank. Übrigens

Weitere Kostenlose Bücher