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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Boyd
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sich.
    »Sie wollten mich sehen, Sir.« Bond bezog vor dem großen Schreibtisch Stellung und legte Moneypennys Aktenmappe auf die Seite.
    M drehte sich um – sein Gesicht war gebräunt, wettergegerbt. Wahrscheinlich dank Gartenarbeit, dachte Bond. Für einen Mann seines Alters war er in bemerkenswert guter körperlicher Verfassung. Wie alt mochte M sein? Er musste mindestens –
    »Was ist mit Ihrer Stimme los?«, fragte M argwöhnisch.
    »Nur ein bisschen Halsschmerzen. Ich kuriere gerade eine Erkältung aus«, sagte Bond. »Moneypenny hat mich mit Medikamenten versorgt.«
    »Sie rauchen einfach zu viel«, sagte M. Er setzte sich und hielt seine Pfeife hoch. »Versuchen Sie es mal damit. Hatte seit der Schulzeit nie wieder Halsschmerzen.«
    »Danke für die Anregung, Sir«, sagte Bond diplomatisch. Eher würde er ganz auf das Rauchen verzichten.
    »Nehmen Sie Platz, 007, und stecken Sie sich eine an, wenn Sie mögen.«
    Bond setzte sich und zückte eine Zigarette, während M in seiner Schreibtischschublade herumwühlte. Er zog einen Atlas heraus, schlug ihn auf und schob ihn Bond zu.
    »Erzählen Sie mir, was Sie über diesen Ort wissen«, sagte M.
    Bond sah sich die Seite an. Ein afrikanisches Land. Ein kleines westafrikanisches Land.
    »Zanzarim«, antwortete Bond noch während er nachdachte. »Dort herrscht Krieg. Ein Bürgerkrieg. Tausende von Zivilisten verhungern.«
    »Zehntausende, meinen einige.« M lehnte sich zurück. »Sonst noch was?«
    »War früher eine britische Kolonie, nicht wahr? Bevor sie den Namen geändert haben.«
    »Mandatsgebiet des Völkerbunds, um genau zu sein. Upper Zanza State hieß es damals. Erlangte vor fünf Jahren die Unabhängigkeit. Ehemalige deutsche Kolonie, 1906 gegründet. Von uns und den Franzosen 1914 befreit – wir haben das Gebiet dann aufgeteilt. 1953 wurde eine Volksabstimmung durchgeführt, und die Zanzaris haben für uns gestimmt.«
    »Erstaunlich.«
    »Sie dürfen nicht vergessen, wie überragend und mächtig das Empire in jener Zeit war, 007, selbst damals noch. Das war die einzig vernünftige Entscheidung.«
    »Ach übrigens, Moneypenny hat mir das hier gegeben.« Bond wollte M die Aktenmappe überreichen.
    »Nein, nein. Die ist für Sie. Öffnen Sie die Mappe.«
    Darin steckten eine Menge Zeitungsausschnitte und Dokumente mit dem Vermerk »Agence Presse Libre«. Bond hob ein Kärtchen auf, das auf den Boden gefallen war: ein Plastikausweis, der mit seinem Foto versehen war. »James Bond. Journalist. Agence Presse Libre« stand darauf.
    »Verstehe«, sagte Bond mit Bedacht. »Ich soll mich also als Mitarbeiter dieser französischen Presseagentur ausgeben.«
    M lächelte vielsagend. Bond wusste, wie sehr er dieses Spielchen genoss, bei dem er seinen Agenten tröpfchenweise über die anstehende Mission informierte.
    »Eine kleine, linksliberale Presseagentur. Renommiert. Weltweit agierend«, erklärte M. »René Mathis, Ihr alter Freund vom Deuxième Bureau, hat es in die Wege geleitet und alles Nötige veranlasst.«
    »Und wo werde ich mich journalistisch betätigen?«, fragte Bond pflichtergeben, um das Spiel mitzuspielen. Er kannte die Antwort bereits.
    »Zanzarim.«
    »Und was soll ich tun, wenn ich vor Ort bin?«
    Wieder lächelte M, breiter als zuvor. »Den Krieg beenden, was sonst.«
    Bond teilte seiner neuen Sekretärin Araminta Beauchamp (Bietschäm ausgesprochen) mit, er wolle nicht gestört werden, und nahm an seinem Schreibtisch Platz, um sich mit dem Material über Zanzarim zu beschäftigen, das Moneypenny ihm gegeben hatte.
    Er sah die Zeitungsausschnitte durch. Der Bürgerkrieg in Zanzarim hatte sich wegen der massenhaften Unterernährung innerhalb der Zivilbevölkerung zu einer internationalen Krise ausgewachsen. Es gab viele schockierende, mitleiderregende Bilder von hungernden Kindern – strichdünne Körper mit überdimensionierten Köpfen, aufgedunsenen Bäuchen und trüben, ausdruckslos starrenden Augen. Bond entschied sich für einen Lagebericht des Außenministeriums mit dem Titel »Die Ursprünge des Bürgerkriegs in Zanzarim« und begann zu lesen.
    Das westafrikanische Zanzarim war ein stabiles kleines Land gewesen, als es 1964 die Unabhängigkeit erlangte. Im Anschluss änderte es seinen Namen und auch den Namen seiner Hauptstadt, die fortan Sinsikrou hieß (im Lauf der kurzen Kolonialgeschichte hatte sie abwechselnd die Namen Gustavberg, Victoireville und Shackleton getragen). Zanzarim konnte damals einen achtbaren

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