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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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dem Fernsehen in so einem Fall tun würden. Aber er guckte immer nur Krimis, und da ging es ausschließlich um Leute, die schon tot waren. Er drehte sich zum Ladentisch und suchte zwischen all den Verpackungen, Rechnungen und Visitenkarten nach dem Telefon. Da vernahm er ein leises Stöhnen.
    Sarah blinzelte kurz. Über ihren Augen lag ein Schleier wie eine Spinnwebe. Sie versuchte sich aufzusetzen, doch Odus drückte sie sanft zurück.
    »Sarah, was ist passiert?«
    Sie öffnete den Mund. Mit ihrem faltigen Hals und den glasigen Augen sah sie aus wie ein kleines Rotkehlchen, das einen vorverdauten Wurm aus dem Schnabel der Mutter ziehen wollte.
    »Ganz ruhig«, sagte Odus. Sein Mund war trocken, er wünschte sich ein Bier herbei, am besten frisch aus dem Kühlschrank.
    » Hut «, murmelte Sarah.
    »Ja, Sarah, alles wird gut«, antwortete Odus. »Bist wohl ganz schön ins Schwitzen gekommen heute Morgen. Hast es etwas übertrieben, was? Setz dich einfach ein bisschen hin und ruh dich aus.«
    Sarah schlug mit ihrer knochigen Hand gegen seine Brust. » Huuut. «
    »Ich weiß. Alles wird gut. Ich hol dir ein Glas Wasser.«
    Sarah packte seinen Arm, ihre Finger waren wie die Klauen eines Bussards. Sie setzte sich auf, ihr Gesicht wie versteinert. »Suffkopp«, japste sie, und kleine Spucketröpfchen spritzten aus ihrem Mund. »Der Mann mit dem Hut. Er ist wieder da.«
    Sarahs Augen fielen wieder zu und sie sank auf die derben grauen Säcke. Ihre Atmung war flach, aber gleichmäßig.
    Odus suchte weiter nach dem Telefon. Was laberte sie da von einem Hut? Wahrscheinlich hatte sie einen Schlaganfall erlitten, der ihr die Sinne vernebelte. Die meisten Männer in dieser Gegend trugen einen Hut, und es war bekannt, dass der eine oder andere immer mal wiederkam.

 
     
     
    7. KAPITEL
     
    Für Alex Eakins war der September ein Monat der Melancholie. Es war im September gewesen, als das Hündchen, das ihn durch seine Kindheit begleitet hatte, unter die Räder eines FedEx Lasters geriet. Im September hatte er nach einem Fußballspiel an der Highschool seine Unschuld an ein Mädchen verloren, das ihn später für einen verheirateten Mann verließ. Im September hatten sich seine Eltern getrennt, im September war er wegen schlechter Noten und mangelnder Anwesenheit von der Duke University geflogen. Und seit er in den Bergen wohnte und sein Geld in ein Stückchen Land am Südhang hoch über Solom investiert hatte, war der September die Zeit des Sterbens.
    Er sog die süße Luft ein, die nach Rotahorn und Holzäpfeln duftete. Eigentlich müsste sie nach Fäulnis und Verfall riechen, doch der einzige Gestank wehte von seiner Komposttoilette herüber, wo Bakterien die undankbare Aufgabe erfüllten, Scheiße in Erde zu verwandeln. Die Natur begann sich gerade erst damit abzufinden, dass der Winter bald wieder sein unerbittliches Zepter schwingen würde und dass alle Lebewesen bald entweder sterben oder schlafen würden. Er fragte sich, was wohl auf ihn zutreffen würde.
    Alex hatte sich aus voller Überzeugung der ökologischen Landwirtschaft verschrieben. Der Verkauf seiner Produkte auf dem Bauernmarkt brachte ihm genug ein, um seine Steuern zu bezahlen. Er hatte sich eingehend mit den neuesten Methoden für nachhaltiges Bauen beschäftigt. Sein Haus war eine Mischung aus überlieferten Traditionen und hochmoderner Technik. Da er nicht an die Versorgungsnetze angeschlossen und weder der Bauaufsicht noch der Baubehörde unterworfen war, hatte er sein Haus, das direkt an einem Bach stand, teilweise aus Lehm und Stroh gebaut.
    Von außen erinnerte es eher an eine Lehmhütte der Eingeborenen, aber es war erstaunlich energieeffizient. Ein paar Solarzellen auf dem Dach versorgten seinen riesigen Kühlschrank mit Strom. Für warmes Wasser, das gleichzeitig das ganze Haus beheizte, sorgte eine ausgeklügelte Holzfeuerung. An ein Wasserrad im Bach hatte Alex einen Generator angeschlossen. Zusammen mit einem kleinen Windrad speiste der Generator einen großen Stromspeicher, so dass seine Energieversorgung bei jedem Wetter gewährleistet war.
    Er hatte sich sein System nach dem Endzeit-Hype um die Jahrtausendwende zusammengebastelt. Als all die Untergangspropheten gemerkt hatten, dass die Welt doch nicht untergegangen war, hatten sie ihre Notausrüstung verkauft. Aber für Alex war die Welt vielleicht doch kurz vorm Untergang. Denn es war wieder Herbst. Die Tomaten zermatschten an den Sträuchern, der Mais wurde langsam hart. Die
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