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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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kälteresistenten Pflanzen wie Kohl, Spinat und Rüben hatten zwar noch ein paar Wochen, doch schon bald würde die Marktsaison vorüber sein. Alex hatte einen ganzen Anhänger voller Kürbisse, die er zu Halloween verkaufen wollte, und eine Ladung Bio-Brokkoli, doch danach müsste er wieder arbeiten gehen. Oder etwas von dem Marihuana verkaufen, das er angebaut hatte.
    Aber dazu musste er sich wieder mit Menschen abgeben.
    Mit denselben blöden Menschen, die ihn in die Isolation in den Bergen getrieben hatten. Abgesehen von dem Kick, dass man sich ständig mit dem Gesetz anlegte und sich in der letzten wirklich freien Marktwirtschaft der Welt bewegte, war der Verkauf von Haschisch fast genauso anstrengend wie ein ganz normaler, spießiger Job.
    Alex kippte einen Eimer Tischabfälle auf den Komposthaufen in seinem Garten und blickte über das Tal, das sich zu seinen Füßen erstreckte. Am Highway wurden die Blätter der Bäume langsam bunt. Kein Wunder, dort waren die Wurzeln ausgelaugt vom Asphalt und den ganzen Abgasen. Vom Highway aus führte ein Schotterweg vorbei an den Häusern der Smiths und der Wards, bevor er sich im Dickicht verlor und sich schließlich zu Alex' Haus hinaufschlängelte. Nach dem Haus von Gordon Smith wurde der Weg holpriger und zerfurchter. Das war Absicht, denn Alex wollte damit alle Neugierigen von sich fernhalten. Nicht etwa, weil er asozial war, wie seine Mutter mal behauptet hatte, oder weil er ein stures Arschloch war, wie sein Vater zu sagen pflegte, sondern weil er einfach nicht den Nerv hatte, sich mit verlaufenen Touris und ungeladenen Gästen abzugeben. Außerdem wollte er nicht, dass ihn die Bullen fanden.
    Also asozial war er weiß Gott nicht. Da brauchte man nur mal Meredith zu fragen, die Ökobraut, die er auf dem Bauernmarkt kennengelernt hatte und die seit April immer mal wieder die Hälfte seines Bettes in Anspruch nahm. Doch der April war grün, und der Oktober war rot und gold. Also ging er davon aus, dass es mit ihr noch vor dem ersten Frost vorbei sein würde.
    Ihre Stimme säuselte von der Terrasse herüber. »Süßer?«
    Süßer. Das erinnerte ihn daran, dass er im nächsten Jahr einen Bienenstock aufbauen wollte. Bei all den Schädlingen, die die armen Honigbienen bedrohten, wurde echter Honig immer wertvoller. Alex war sich sicher, dass er das hinkriegen würde. Außerdem hätte er dann eine eigene geflügelte Armee fleißiger kleiner Blütenbestäuber.
    »Alex?«
    Er stellte den Abfalleimer auf den Boden und hob die Spitzhacke auf. »Ja, Schatz, was ist?«
    »Bist du wegen irgendwas sauer auf mich?«
    »Quatsch.« Durch die Bäume sah er, wie unten bei den Wards dünner grauer Rauch aus dem Schornstein stieg.
    »Du nennst mich immer nur Schatz, wenn du sauer auf mich bist.«
    »Das stimmt nicht!«
    »Und du redest so aus dem Mundwinkel, als ob du auf Autopilot geschaltet hast. So als ob du meilenweit weg wärst.«
    Die Benzinpreise stiegen immer weiter. Daran war die militaristische Industriellenverschwörung schuld, die das Land regierte. Diese Kosten musste man gegen den möglichen Gewinn rechnen, den eine Ladung Kürbisse einbrachte. Vielleicht würde er die Kürbisse nach Westridge bringen. Die jungen Leute auf dem College hatten Geld. Daran hatte Alex keinen Zweifel – schließlich hatte er ihnen in den letzten Jahren Unmengen an Gras verkauft. »Alles in Ordnung, Schatz«, murmelte er.
    »Siehst du? Du hast es schon wieder gesagt.«
    »Was?«
    »Du hast gerade wieder ›Schatz‹ gesagt.«
    Er drehte sich um und blinzelte zur Terrasse herüber. Es war ein klarer Tag, wenn auch kalt. Meredith stand in einem grauen Frotteebademantel auf der Veranda. Ihr blondes Haar war nass und dampfte in der kühlen Luft. Alex hatte keinen Zweifel, dass sie unter ihrem Bademantel nackt war. Er dachte an ihre Nippel, die ihn immer an Radiergummis erinnerten – sowohl von der Farbe als auch vom Gefühl her, wenn man sie anfasste. Fast konnte er ihr Shampoo riechen. Teures Hippie-Zeugs aus dem Bioladen. Er packte die Hacke noch fester.
    »Tut mir leid«, murmelte er. »Ich habe gerade über den Herbst nachgedacht.«
    »Wie, Herbst?«
    »Na ja, den Herbst halt. Alles liegt im Sterben, und doch schwingt über allem ein Versprechen der Wiedergeburt. Irgendwie symbolisch, oder?«
    »Hast du etwa heimlich was geraucht?«
    »Wusstest du eigentlich schon, dass die meisten Blätter in Wirklichkeit gar nicht grün sind? Das Chlorophyll verdeckt nur die eigentliche Farbe. Wenn das
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