Solomord
Schreibtisch zu.
»Das sind über 400 Seiten«, stöhnte Teichert, als er die Daten auf seinen PC geladen hatte.
»Dann hast du nun genügend Lektüre fürs Wochenende.«
»Ich hol mir erst mal einen Kaffee. Willst du auch einen?«
Er nickte. Sein Kollege hatte gerade das Büro verlassen, als das Telefon klingelte. Es war Lore. Was denn mit dem Wochenendeinkauf sei. Er blickte kurz zur Uhr und erschrak. Die Einkäufe hatte er völlig vergessen.
»Schätzchen, wenn du das vielleicht übernehmen könntest?« Bissig bemerkte sie, dass sie erst letzte Woche die Einkäufe erledigt hatte, und es kostete ihn eine Menge Überredungskunst, seine Tochter zum Einkaufen zu bewegen.
»Und das Restgeld darf ich behalten«, verhandelte sie hart.
»Ja, ja«, gab er sich geschlagen. »Es müsste noch genügend Geld in der Zuckerdose im Küchenschrank sein.«
Er hatte den Hörer gerade erst aufgelegt, als es erneut klingelte.
»Dann in der Kaffeedose.« Er nahm an, dass sie das Geld nicht finden konnte.
»Was ist mit der Kaffeedose?« Sein Vorgesetzter klang amüsiert.
»Ach, du bist es, Hans. Tut mir leid, aber ich dachte, es sei Lore.«
Sein Chef ging nicht weiter darauf ein, sondern berichtete in kurzen und knappen Sätzen von einem aktuellen Hinweis im Fall Michelle Roeder.
»Macht euch mal gleich auf die Socken. Zwei Streifenwagen sind auch schon unterwegs.«
Als Teichert vom Kaffeeholen zurückkehrte, wartete Brandt schon ungeduldig.
»Komm, beeil dich, wir müssen zum Südpark!«
Er nahm ihm einen der Kaffeebecher ab und eilte den Flur entlang. Während er damit beschäftigt war, die Balance des Heißgetränks seinem Laufschritt anzupassen, um nichts zu verschütten, erzählte er, dass sie einen Hinweis aus der Bevölkerung erhalten hatten. Einige Anwohner einer Kleingartenkolonie hatten den Verdacht, dass Michelle in einer Gartenlaube gefangen gehalten wurde.
»Es gab mehrere übereinstimmende Aussagen. Scheint eine ganz heiße Spur zu sein!«
Sie stiegen in den Wagen, und noch ehe er die Beifahrertür geschlossen hatte, gab sein Kollege bereits Gas. Doch schon an der ersten Kreuzung standen sie im Stau. An diesem schönen Wochenende schien es Tausende von Menschen in die Stadt zu ziehen. Ein Einkaufsbummel, Flanieren an der Rheinpromenade, ein kühles Bier im ›Uerigen‹ – es gab reichlich Gründe, warum sich der Besuch der Landeshauptstadt an einem solch herrlichen Frühlingstag lohnte. Er ließ die Seitenscheibe herunter und positionierte das Blaulicht auf dem Wagendach. Zusätzlich schaltete er die Sirene ein. Augenblicklich bildeten die anderen Verkehrsteilnehmer eine Rettungsgasse und sie konnten zügig weiterfahren.
»Ich liebe das!«, sagte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen. »Ich glaube, das war einer der Gründe, warum ich zur Polizei gegangen bin.« Sein Kollege schüttelte amüsiert den Kopf.
Er preschte über die Witzelstraße, bremste, legte einen U-Turn hin, dass die Reifen quietschten, und beschleunigte wieder. Hagen Brandt tastete erschrocken nach dem Haltegriff.
»Und das war einer der Gründe, warum ich zur Polizei gegangen bin.« Teichert lächelte spitzbübisch.
Schon von Weitem sahen sie die Blaulichter der Streifenwagen. Eine größere Anzahl von Menschen hatte sich vor einem der eingezäunten Gärten versammelt. Sie stiegen aus und näherten sich der Menschentraube. Neugierige Blicke verfolgten jeden ihrer Schritte.
»Wer von Ihnen hat uns informiert?«
Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als sich ein lautes Stimmengewirr erhob. Jeder wollte etwas Verdächtiges beobachtet haben, eifrig redeten alle durcheinander. Er verstand kein einziges Wort.
»Moment mal. So geht das nicht!«, rief er mit lauter Stimme und hob seinen Arm. Die Menge verstummte. Er blickte sich kurz um, ehe er auf einen älteren Herrn in Jeansshorts zeigte.
»Was genau haben Sie gesehen?«
Der Mann räusperte sich und erklärte zunächst, dass ihm der Garten gleich nebenan gehören würde.
»Der hier, mit den schönen Rosenbüschen!«, sagte er stolz und zeigte auf einen der angrenzenden Gärten. Brandt ging auf das prahlerische Kleingärtnergetue gar nicht ein. »Und, weiter?«, drängte er.
Eine kleine Frau in Kittelschürze kam dem Mann zur Hilfe.
»Also, gestern Abend waren wir bis zur Dämmerung hier. In der Nachbarlaube brannte bereits Licht, als wir unsere Sachen zusammengepackt haben. Dann haben wir diesen Schatten dort am Fenster gesehen.«
Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm
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