Solomord
Augen sprechen?« Sein Bruder blickte ihn argwöhnisch an, doch Martin führte die beiden ohne ein weiteres Wort ins Wohnzimmer.
»Wir haben mit Ihrem Stiefvater gesprochen.« Er schluckte.
»Stimmt es, dass Sie ein Buch über ihn geschrieben haben?«
»Ja.«
»Und Sie haben diese Woche das Manuskript verkauft?«
Er nickte.
»Herr Schulz, wir vermuten, dass das Verschwinden Ihrer Stiefschwester mit dem Buch zusammenhängen könnte.«
Er stand auf, ging hinüber zum Fenster und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, sagte er nach einer Weile.
»Warum?«
Er erzählte von dem Treffen in der Universitätsbibliothek und der Äußerung des Mannes, dass er seinen Stiefvater gut kennen würde.
»Wie sind Sie an diesen Agenten gekommen?«
Ein Studienfreund, der zurzeit bei einer Zeitung als Volontär beschäftigt sei, hatte den Kontakt hergestellt, erzählte er. Noch während er das Buch geschrieben hatte, war ihm bewusst geworden, dass er auf keinen Fall selbst an einen Verlag herantreten konnte. Zwar war ihm bekannt gewesen, dass man auf dem Markt nach solchen Manuskripten geradezu suchte, aber es durfte keinerlei Verbindung zwischen ihm, seinem Stiefvater und dem Buch hergestellt werden. Das Thema war einfach zu heikel.
»Aber Ihrem Studienkollegen haben Sie davon erzählt?«
»Nicht wirklich.« Er habe vorgegeben, einen Freund zu kennen, der über ein brisantes Thema schreibe. Malte, so hieß der Kommilitone bei der Zeitung, brüstete sich gern mit seinen guten Kontakten zu Verlagen und renommierten Magazinen, wie dem ›Stern‹ und dem ›Spiegel‹. Er habe ihn gebeten, sich doch einmal umzuhören, und kurz darauf hatte dieser ihn angerufen und ihm eine Telefonnummer genannt.
»Haben Sie die Nummer noch?«
»Ja, aber der Anschluss ist inzwischen offenbar abgemeldet. Meinen Sie wirklich, der Typ hat etwas mit Michelles Verschwinden zu tun?«
»Das können wir leider nicht ausschließen. Wie viel hat der Mann Ihnen denn für das Manuskript gezahlt?«
Er nannte eine beachtliche Summe und Teichert stieß einen leisen Pfiff aus.
»Und das Geld haben Sie Ihrer Mutter gegeben?«
»Sie will es nicht annehmen.«
Sie ließen sich von Martin Schulz die Telefonnummer des vermeintlichen Agenten und eine Kopie des Manuskripts geben. Das Geld beschlagnahmten sie vorläufig.
»Unsere Kriminaltechnik wird es auf Fingerabdrücke und sonstige Spuren untersuchen«, erklärte Brandt, als er den Umschlag in einen kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel gleiten ließ.
»Am besten, Sie begleiten uns gleich, damit wir Ihre Abdrücke zum Abgleich nehmen können.«
Martin Schulz nickte wortlos. Im Flur griff er nach seinen Haustürschlüsseln und verließ zusammen mit ihnen die Wohnung.
Auf der Fahrt zum Präsidium versuchte Brandt, Näheres über den Käufer des Manuskripts zu erfahren, doch der junge Mann, der zusammengesunken auf der Rückbank des Wagens saß, zuckte nur mit den Schultern.
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass der Kontakt über einen Freund zustande gekommen ist.«
Mehr war nicht aus ihm rauszubekommen. Hoffnungslos, dachte Brandt und blickte den Rest der Fahrt stumm aus dem Fenster.
Im Präsidium folgte Harald Roeders Stiefsohn Teichert schweigend durch die Gänge bis zum Raum des Erkennungsdienstes.
»Einmal die ganze Palette, Heinz«, wies er den Kollegen an. »Anschließend darf der junge Mann wieder nach Hause.«
Er verabschiedete sich von Martin Schulz und bat ihn, sich zu ihrer Verfügung bereitzuhalten.
Brandt war schon vorausgegangen. Als sein Kollege das Büro betrat, blätterte er bereits eifrig in Harald Roeders Akte.
»Vielleicht ist der Typ ein Geschädigter«, bemerkte er, ohne seinen Blick von der Akte zu heben.
»Du meinst, jemand, der sich rächen will?«
Brandt nickte.
»Aber wieso kauft er dann das Buch von Martin Schulz? Würde doch reichen, wenn er nur das Kind entführt.«
Nils hatte sich auf seinem Stuhl niedergelassen und las den Zettel, den sein Kollege dort abgelegt hatte.
»Was ist das?«
Brandt schaute kurz auf.
»Das ist ein Aufruf, den Sonja am Montag an sämtliche Schulen faxen soll. Ich dachte, du könntest ihr das übergeben?« Er zwinkerte ihm verstohlen zu. Teichert spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Schnell versuchte er, das Thema zu wechseln.
»Also, ich tippe bei dem angeblichen Agenten eher auf jemanden aus der Szene. Wo ist denn die Kopie?«
Brandt schob ihm die Diskette über den
Weitere Kostenlose Bücher