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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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Mir blieb kaum die Zeit zu bemerken, wo Glee sich eigentlich befand, da stand sie schon wieder vor mir und stieß wild mit dem Messer zu. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos, ihre leeren toten Augen starrten mich an. Nichts war in diesem Blick zu erkennen -kein Hass, kein Zorn, gar nichts. Ich taumelte rücklings und stieß mit meiner Waffe ihr Messer beiseite. Glee beugte sich vor und stieß nach meinem Magen, verpasste mich nur um eine Molekülbreite. Ich hatte das Gleichgewicht verloren. Bei jedem taumelnden Schritt wehrte ich ihr Messer ab – von meinem Gesicht, meiner Brust, meinem Unterleib –, manchmal mit einem gezielten Stoß mit meiner Waffe, manchmal mit dem bloßen Arm, was mir tiefe Schnittwunden einbrachte. Denn mein Mantel bot mir kaum Schutz vor der diamantscharfen Klinge. Bei jedem schmerzhaften Zusammenkrampfen meiner Brust spuckte ich blutroten Speichel aus; meine Beine schienen schwerer zu sein als jedes Gewicht, das ich jemals gestemmt hatte. Auch die Waffe in meiner Hand war bloß noch ein Gewicht, nicht mehr als das. Selbst wenn ich in der Lage gewesen wäre, mit ihren Reflexen mitzuhalten – und da war ich mir wirklich nicht sicher! –, hätte ich Glee nicht erschießen können. Ich konnte nichts erschießen, was wie Glee aussah.
    Jetzt hatte ich das Muster ihres Angriffs erkannt – Kopf, Unterleib, Brust, Kopf, Unterleib, Brust-, also ging ich ein kalkuliertes Risiko ein. Nachdem ich einen Stoß, der gegen meine Brust gerichtet gewesen war, abgewehrt hatte, duckte ich mich und sprang einen Schritt weit vor. Ich rammte meinem Gegenüber meinen Schädel in den Bauch, so fest ich nur konnte, und legte es ganz darauf an, Glee weiter zurückzutreiben und dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr das Gleichgewicht fand.
    Sie wich zurück, und ich taumelte mehrere Schritte weiter, ehe ich selbst das Gleichgewicht wiederfand. Als ich einen weiten Bogen beschrieb, sah ich aus dem Augenwinkel Belling und Lukens. Sie hatten sich in einer Ecke verschanzt und feuerten auf drei Gestalten, die wild durch die Gegend sprangen. Es kam mir vor wie ein lebendiges Gemälde: Alles schien in der Zeit eingefroren, das Mündungsfeuer war ein stetiges Licht; zerlumpte, blutverschmierte Gestalten schwebten mitten in der Luft, Belling halte konzentriert das Gesicht verzogen, und Lukens wirkte so gelangweilt, als gehe sie im Kopf ihren Wäschezettel durch.
    Als die Lampe wieder verlosch, kam ich zu dem Schluss, es sei höchste Zeit davonzulaufen. Ich würde Glee nicht erschießen, und ich konnte auch nicht gegen ihre nano-geschärften Reflexe ankommen. Ich steuerte den hinteren Teil des Raumes an und sog die Luft so tief ein, wie ich nur konnte. Sofort krampfte sich meine Brust wieder zusammen. Mit schweren ungleichmäßigen Schritten lief ich davon. Als die Lampe wieder aufflammte, brauchte ich mich nicht einmal umzublicken, um zu wissen, dass Glee mich wieder erreicht hatte: Das Tapsen ihrer nackten Füße dröhnte mir förmlich in den Ohren. Ich wirbelte herum, mein Rücken protestierte vor Schmerz. Doch meine Bewegung war noch gerade rechtzeitig gewesen, um ein weiteres Mal Glees Klinge abzuwehren. Mein Stoß war allerdings nicht sonderlich kraftvoll gewesen, und so konnte sich meine alte Freundin sofort wieder aufrichten und sprang erneut auf mich zu. Im selben Augenblick wusste ich, dass ich dieses Mal weder genug Halt noch genug Kraft hatte, um ihr auszuweichen. Dieses Mal würde es damit enden, dass meine Eingeweide quer über den Fußboden verstreut lägen.
    Da aber riss mich irgendetwas nach hinten. Heftig landete ich auf meinem Hintern und rutschte noch einige Schritte weiter, während Glee bäuchlings auf dem Boden landete. Hände packten meine Schultern, eine Sekunde lang glaubte ich zu schweben und starrte nur Glees rotes Haar an. Aus reiner Gewohnheit war meine Waffe geradewegs auf ihren Kopf gerichtet, mein Finger lag am Abzug. Nur ein bisschen Druck, dann wäre es das gewesen. Aber ich konnte es einfach nicht tun. Ich konnte Glee unmöglich noch einmal töten.
    Marko beugte sich über mich; Blut sickerte aus seiner Nase. Er wirkte völlig erschöpft, glitzernd stand ihm der Schweiß auf dem Gesicht. »Und sie sind der meistgesuchte Revolverheld in ganz New York?«, fragte er keuchend. »Sie kriegen gerade von einem Teenie den Arsch versohlt!«
    »Wenn du sie anrührst«, zischte ich zurück, »bring ich dich um!« Ich stieß ihn fort und kam wieder auf die Beine – langsam, viel zu langsam, verdammt

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