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Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Somers
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um nicht zu Boden gerissen zu werden. Zweimal feuerte ich aufs Geratewohl in diesen Leichenstapel hinein, dann rollte sich eine Gestalt davon, sprang mit schaurigem Geschick und völliger Lautlosigkeit auf die Beine und verschwand, als die Nova-Lampe wieder verlosch. Ich setzte zwei weitere Schüsse ab. Doch ein kaum hörbares Tapsen verriet mir, dass der Angreifer mir entkommen war – und er war barfuß. Ich stieß Marko hinter mich und konzentrierte mich ganz auf mein Gehör, lauschte und lauschte. Doch ein weiterer Feuerstoß aus der anderen Ecke des Raumes übertönte kurz jegliches andere Geräusch. Als der Nachhall endlich verstummt war, hielt ich den Atem an und hörte zwei weitere tapsende Schritte, unmittelbar vor mir. Im gleichen Augenblick flammte die Lampe wieder auf.
    Ich riss den Arm hoch und erstarrte, krümmte reflexartig den Finger am Abzug und schoss meinem Gegenüber fast unbeabsichtigt geradewegs in die Schulter. Die Frau war keinen halben Meter von mir entfernt. Ihre Schulter bestand nur noch aus einer klebrigen Masse aus Blut und Knochensplittern; ihr Hals und ihre Brust waren bedeckt von einer verschmolzenen, faltigen Lage neuen rosafarbenen Fleisches. Eine Sekunde lang sah ich die blauen Augen der Frau – absolut perfekt, gänzlich erhalten und ganz genauso ausdruckslos wie beim letzten Mal, als ich sie gesehen hatte. Unverwandt starrten mich diese Augen an.
    »Ich habe denen doch gesagt«, flüsterte ich heiser, »sie sollen dich verbrennen, verdammt noch mal!«
    Ohne eine Miene zu verziehen, wirbelte Glee herum, ließ den Arm auf mich zuschnellen und verpasste mir eine tiefe Schnittwunde auf der Wange.

XXXVI
    Tag zehn:
    mein ganzes Leben wie
    auf Schienen
     
     
    Schlagartig hüllte uns die Nacht ein, als die Nova-Lampe erneut erlosch. Ein paar Sekunden lang hörte ich nur das leise Tapsen von Glees nackten Füßen auf dem Boden. Dann dröhnte aus der anderen Ecke des Raumes wieder das entsetzliche Shredder-Feuer. Ich ging in den Kniestand, riss dabei Marko mit mir zu Boden und spürte, wie Glees Klinge nur ein winziges Stückchen über mir durch die Luft sauste. Ich hatte wunderbar freies Schussfeld. Es war zwar stockfinster, aber ich wusste genau, wo sich meine Gegnerin befinden musste. Nur: Ich nutzte die Gelegenheit nicht. Das war schließlich Glee. Natürlich war das eigentlich überhaupt nicht Glee, aber sie war es eben doch, und so trat ich mit meinem geschienten Bein zu. Ich verlagerte dabei mein Gewicht auf das unverletzte Bein. Es funktionierte; ich brachte meine alte Freundin aus dem Gleichgewicht und hörte sie zu Boden stürzen. Sie stöhnte nicht auf, grunzte nicht, atmete nicht einmal tief durch – ich hörte gar nichts.
    Ich spürte, wie mir Blut über das Gesicht lief, doch den Schnitt selbst fühlte ich nicht. Als die Nova-Lampe wieder aufflammte, hustete ich einen unschönen salzigen Klumpen aus, tief aus meiner Brust. Und erstaunt stellte ich fest, dass Glee schon wieder auf den Beinen war, als habe sie nach ihrem Sturz einfach wieder hochschnellen können – wie eine gottverdammte untote Bodenturnerin. Jetzt hatte sie keine Prellungen mehr im Gesicht, auch wenn das neue Fleisch oberhalb ihres Kiefers unnatürlich straff wirkte. Ihr rotes Haar war auffallend kurz geschoren; es stand wie Stacheln von ihrem Kopf ab. Sie trug immer noch den viel zu großen Overall, den ich ihr geliehen hatte, als wir nach Uptown gegangen waren. Ich nahm das alles irgendwie wahr, und doch sah ich nichts als ihre Augen. Denn das waren nicht ihre Augen. Sie waren völlig ausdruckslos und ruhig, und sie blinzelte nicht ein einziges Mal. Von der Gleason, die ich gekannt hatte, war nichts mehr übrig.
    »Mr Marko«, hustete ich, als würde ich dabei Rasierklingen ausspucken, »vielleicht möchten Sie jetzt doch lieber fortlaufen.«
    »Ach du Scheiße«, hörte ich ihn noch murmeln, und dann vergaß ich Mr Marko voll und ganz. Denn jetzt verlosch das Licht wieder, und ich hörte das leise Tapsen von Glees Füßen. Ich zuckte zurück und spürte, dass ihre Klinge kaum einen Zentimeter vor meiner Nasenspitze die Luft zerschnitt. Wieder duckte ich mich, und Glee sprang über mich hinweg: Während sie über mir war, grub sich ihre Klinge tief in meinen Rücken. Ich sprang auf und wich nach rechts aus, geriet ungeschickt ins Taumeln und landete auf einem ganzen Stapel Gliedmaßen, die sich weich und für Leichenteile erschreckend warm anfühlten.
    Wieder wurde es hell, und durch die roten Flecken,

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