Sommer am Meer
bloß ein von Mauern abgeschirmtes Gefängnis für Blumen und einen mißmutigen Gärtner, der mir nicht mal erlaubt, einen Strauß Gladiolen zu schneiden, ohne ihn vorher zu fragen.“
„Ach, um Himmels willen...“
„Manchmal beobachte ich samstags in Relkirk andere Leute, gewöhnliche Ehepaare. Sie gehen zusammen bei Regen oder Sonnenschein einkaufen, sie haben ihre Kinder bei sich, sie lutschen Eis, und dann laden sie ihre Pakete in schäbige kleine Autos und fahren nach Hause. Sie sehen alle miteinander glücklich und zufrieden aus.“
„O Gott. Das kannst du unmöglich wollen.“
„Ich will nicht einsam sein.“
„Einsamkeit ist ein Seelenzustand. Daran kannst nur du selbst etwas ändern.“
„Bist du nie einsam gewesen, Anthony?“
„Nein.“
„Dann hast du mich nicht geheiratet, um Gesellschaft zu haben. Und du hast mich nicht geheiratet, weil ich eine glänzende Unterhalterin bin.“
„Nein.“ Kalte Zustimmung. Sein Profil war wie versteinert.
„Warum dann?“
„Du warst hübsch. Du hattest einen gewissen scheuen Charme. Du warst ganz reizend. Meine Mutter fand dich ganz reizend. Sie fand deine Mutter ganz reizend. Sie fand die ganze verdammte Abmachung reizend.“
„Du hast mich doch nicht geheiratet, weil deine Mutter es dir gesagt hat.“
„Nein. Aber irgendwen mußte ich schließlich heiraten, und du bist zu einer ausgesprochen günstigen Zeit aufgekreuzt.“
„Was soll das heißen?“
Er erwiderte nichts darauf. Er fuhr ein paar Minuten schweigend weiter, vielleicht bewog ihn ein Rest von Anstand, ihr nicht die Wahrheit zu sagen, jetzt nicht, niemals. Aber nachdem Virginia so weit gekommen war, beging sie den Fehler, ihn zu bedrängen. „Anthony, ich verstehe das nicht“, und er verlor die Beherrschung und sagte es ihr.
„Weil ich Kirkton nur unter der Bedingung geerbt habe, daß ich verheiratet sein müßte, wenn ich es übernehme. Onkel Arthur meinte, ich würde nie zur Ruhe kommen, ich würde Haus und Hof vergammeln lassen, wenn ich als Junggeselle einzöge... Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat, aber er bestand darauf, daß ich nur als verheirateter Mann in Kirkton lebe.“
„Darum also!“
Anthony zog die Stirn kraus. „Bist du gekränkt?“
„Ich glaube nicht. Sollte ich?“
Er tastete nach ihrer Hand... der Wagen schlingerte ein wenig, als seine Finger ihre umschlossen. Er sagte: „Laß gut sein. Unsere Ehe ist vielleicht nicht besser, aber ganz bestimmt nicht schlechter als andere. Es tut manchmal gut, offen zu sein und die Verhältnisse zu klären. Es ist besser, wenn wir beide wissen, woran wir sind.“
Sie sagte: „Bereust du, daß du mich geheiratet hast?“
„Nein. Bereuen nicht. Ich bedauere nur, daß es sein mußte, solange wir beide noch so jung waren.“
Eines Tages war sie allein im Haus. Ganz allein. Es war Samstagnachmittag. Mr. McGregor, der Gutsverwalter, war mit seiner Frau in Relkirk. Anthony war Golf spielen, und Nanny war mit den Kindern spazieren. Ein leeres Haus und nichts zu tun. Keine Wäsche zu waschen, kein Kuchen zu backen, nichts zu bügeln, kein Unkraut zu jäten. Virginia ging von Zimmer zu Zimmer, wie eine Fremde, die für die Besichtigung Eintritt bezahlt hatte. Ihre Schritte hallten auf der gebohnerten Treppe, die Uhr tickte, überall herrschte Ordnung und Sauberkeit. Anthony liebte es so. Es war sein Werk. Hierfür hatte er sie geheiratet. Am Ende kam sie in die Diele, öffnete die Haustür, ging die Stufen hinunter auf den Kiesweg, dachte, vielleicht könnte sie Nanny und die Kinder in der Ferne erspähen; sie wollte ihnen entgegenlaufen und Cara hochheben, sie umarmen und festhalten, und sei es nur, um zu beweisen, daß sie wirklich existierte, daß sie kein Traumkind war, das Virginia wie eine frustrierte Jungfer nur in ihrer Einbildung empfangen hatte.
Aber von Nanny war nichts zu sehen, und nach einer Weile ging sie wieder ins Haus, weil es kein Ziel gab, wo sie hätte hingehen können.
In der Nachbarschaft lebte eine hübsche junge Frau namens Liz, die mit einem jungen Rechtsanwalt verheiratet war. Er arbeitete in Edinburgh, aber sie wohnten nur anderthalb Kilometer von Kirkton entfernt in einem alten ehemaligen Pfarrhaus, mit einem verwilderten Garten, in dem im Frühling Narzissen blühten, und einer Koppel für die Ponies.
Liz hatte kleine Kinder, Hunde, eine Katze, einen Papagei, aber - vielleicht, weil sie ihren Mann vermißte, der die ganze Woche in Edinburgh war, vielleicht auch, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher