Sommer am Meer
sich zu wehren: Nein, ich will mich selbst um mein Baby kümmern. Aber ihr war so übel, als sie mit Cara schwanger war, sie fühlte sich matt und unwohl, und als sie sich wieder stark genug fühlte, um sich mit der Situation auseinanderzusetzen, waren die Kinderzimmer schon eingerichtet, und Nanny war da, starr, unverrückbar.
Sie soll bleiben. Nur bis das Baby da ist und ich wieder auf den Beinen bin. Sie kann ein, zwei Monate bleiben, dann sag ich ihr, sie kann wieder nach London gehen, weil ich selbst für mein Kind sorgen will.
Doch dann ergaben sich neue Komplikationen. Virginias Mutter in London klagte über Schmerzen und Müdigkeit; sie glaubte, daß sie stark abnehme. Virginia fuhr sogleich zu ihr, und von da an war sie zwischen ihrem Baby in Schottland und ihrer Mutter in London hin- und hergerissen. Während sie mit der Eisenbahn von hier nach da pendelte, wurde ihr klar, daß es Irrsinn war, Nanny zu entlassen, bevor Mrs. Parsons genesen war. Aber sie genas freilich nicht, und als der ganze grauenhafte Alptraum vorüber war, war Nicholas geboren, und nachdem nun zwei Kinder zu versorgen waren, war Nanny endgültig etabliert.
In Kirkton waren sie in einem Umkreis von circa fünfzehn Kilometern von geselligen Nachbarn umgeben. Junge Ehepaare mit genügend Zeit und Geld, manche mit kleinen Kindern wie sie selber, alle mit denselben Interessen wie Anthony.
Um den Schein zu wahren, widmete Anthony einen Teil seiner Zeit dem Gut, redete mit McGregor, dem Verwalter, erkundete, was nach Meinung von McGregor zu tun war, und beauftragte ihn sodann, es zu tun. Den Rest des Tages hatte er für sich, und er nutzte ihn ganz und gar, um genau das zu tun, was er wollte. Schottland ist wie geschaffen für männliche Vergnügungen, und es gab immer etwas zu jagen, im Sommer Moorhühner, im Herbst und Winter Rebhühner und Fasane. Es gab Flüsse zum Angeln und Golfplätze, und das Gesellschaftsleben war noch ausgelassener als vormals in London.
Virginia angelte nicht, noch spielte sie Golf, und Anthony würde sie auch nicht aufgefordert haben, ihm dabei Gesellschaft zu leisten, selbst wenn sie es gewollt hätte. Er zog die Gesellschaft seiner Kameraden vor. Von Virginia wurde erwartet, daß sie nur zugegen war, wenn sie ausdrücklich als Paar eingeladen waren, zu einem Abendessen oder einem Ball oder vielleicht zu einem Mittagessen vor einem Jagdausflug. Dann litt sie Qualen bei der Entscheidung, was sie anziehen sollte, und kreuzte unweigerlich in etwas auf, was alle Welt im Vorjahr getragen hatte.
Sie war nach wie vor schüchtern. Und da sie keinen Alkohol trank, gab es auch kein Mittel, um ihr über ihre Hemmungen hinwegzuhelfen. Die Männer, Anthonys Freunde, fanden sie offensichtlich langweilig. Und die Frauen waren zwar liebenswürdig, verunsicherten sie aber mit ihren Witzen und ihren unverständlichen Anspielungen auf Orte, Personen und Ereignisse, die nur sie kannten. Sie waren wie eine Gruppe Mädchen, die alle dieselbe Schule besucht hatten.
Einmal bekamen sie auf der Heimfahrt von einer Abendeinladung Streit. Virginia hatte nicht die Absicht zu streiten, aber sie war müde und unglücklich, und Anthony war mehr als nur ein bißchen betrunken. Er trank immer zuviel, wenn er in Gesellschaft war, fast als werde es von ihm erwartet. An diesem Abend machte es ihn aggressiv und schlecht gelaunt.
„Na, hast du dich amüsiert?“
„Nicht besonders.“
„Nach dem Gesicht zu urteilen, das du ziehst, hat es dir keinen Spaß gemacht.“
„Ich war müde.“
„Du bist immer müde. Dabei scheinst du nie etwas zu tun.“
„Vielleicht bin ich deswegen müde.“
„Was hat das zu bedeuten?“
„Ach nichts.“
„Es muß doch was zu bedeuten haben.“
„Also gut, es bedeutet, daß ich mich langweile und mich einsam fühle.“
„Ich kann nichts dafür.“
„Nein? Du bist nie da... manchmal bist du den ganzen Tag nicht zu Hause. Mittags ißt du in Relkirk im Club... ich bekomme dich überhaupt nicht zu sehen.“
„Okay. Ich bin wie hundert andere Männer auch. Was glaubst du denn, was ihre Frauen machen?“
„Ich habe mich schon gefragt, was sie mit ihrer Zeit anfangen. Sag du's mir.“
„Sie sind dauernd unterwegs. Sie besuchen sich gegenseitig, bringen die Kinder zum Pony Club, spielen Bridge, arbeiten im Garten, schätze ich.“
„Ich kann nicht Bridge spielen“, sagte Virginia, „und die Kinder wollen nicht Pony reiten, und ich würde gerne im Garten arbeiten, aber Kirkton hat ja keinen,
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