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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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erreichten und nach Süden abbogen, an der alten Grange Hall vorbei, wo Mike und Dale in einem anderen Leben Pfadfindertreffen besucht hatten, stieg die schwarze Rauchwolke immer noch dick und fettig weit im Nordosten über der Müllkippe empor.

34
    Es war Freitagabend kurz nach Sonnenuntergang, und Mike döste im Sessel in Memos Zimmer, als seine Schwester Margaret hereinkam und ihm sagte, daß Pater Cava-naugh vor der Tür sei und auf ihn warte.
    Die Jungs hatten fast eine ganze Stunde für den Nachhauseweg von der Müllkippe gebraucht. Sie hatten bei Harten haltgemacht, sich mit dem Gartenschlauch abgespritzt und ihre Kleidung durchnäßt, um den Gestank von verbranntem Gummi und Fleisch wegzubringen. Die letzte Explosion hatte Mikes Brauen fast ganz weggesengt, und er hatte die Achseln gezuckt und gesagt, da könne er nichts machen, aber Harten hatte ihn mit in das leere Haus genommen und ihm mit dem Augenbrauenstift seiner Mutter neue Brauen gezogen. Kevin hatte versucht, einen Witz über Härtens geschickten Umgang mit Make-up zu machen, aber keiner war in der Stimmung zu lachen gewesen.
    Nach den ersten Augenblicken der Euphorie über ihren Triumph bei der Müllkippe war die Realität der Ereignisse des Vormittags mit aller Wucht über die Jungs hereingebrochen. Alle hatten geschlottert - sogar Lawrence-, und Kevin war auf dem Weg in die Stadt zweimal ins Gebüsch gegangen und hatte sich übergeben.
    Die Autos und Laster, die immer noch zur Müllkippe fuhren, trugen nicht dazu bei, ihre Nervosität zu lindern. Aber größtenteils war es der Schock der Bilder, die sie den ganzen langen Nachmittag über erschütterten: Mann und Hund im Zweikampf, die im brennenden Scheiterhaufen der Lasterkabine miteinander rangen; die Schmerzensschreie von Mensch und Tier, die ineinander übergingen und ununter-scheidbar wurden, der Geruch vom brennendem Fleisch...
    »Warten wir nicht länger«, sagte Harten mit blassen Lippen. »Brennen wir die Scheißschule heute nachmittag noch nieder »Können wir nicht«, sagte Kevin. Seine Sommersprossen zeichneten sich überdeutlich in dem plötzlich bleichen Gesicht ab. »Freitags ist Dad bis nach sechs mit dem Laster in der Molkereizentrale. Da machen sie Inventur.«
    »Dann brennen wir sie heute abend nieder«, beharrte Harlen.
    Mike sah in den Spiegel über der Spüle in Jims Küche und versuchte, die aufgemalten Brauen zu sträuben. »Jungs, wollt ihr das wirklich machen, wenn es dunkel ist?« sagte er.
    Der Gedanke brachte sie zum Schweigen.
    »Also morgen«, sagte Harlen. »Tagsüber.«
    Kevin hatte die 45er seines Vaters auf dem Tisch ausgebreitet und putzte und ölte sie. Jetzt sah er auf, hielt den leeren Magazinclip in einer und eine kleine Feder in der anderen Hand. »Dad wird etwa bis gegen vier unterwegs sein. Aber danach muß ich den Laster noch waschen und auftanken.«
    Harlen schlug auf den Tisch. »Dann scheißen wir eben auf den Milchlaster. Nehmen wir die Wie-sagt-man?-Cocktails.«
    »Molotowcocktails«, sagte Mike von der Spüle. Er drehte sich wieder zu den anderen um. »Habt ihr eine Ahnung, wie dick die Steinmauern von Old Central sind?«
    »Mindestens dreißig Zentimeter«, sagte Dale. Er saß schlaff am Tisch und war zu müde, auch nur sein Glas Squirt zu heben. Seine nassen Turnschuhe gaben putschende Laute von sich, wenn er die Zehen bewegte.
    »Sagen wir lieber sechzig«, meinte Mike. »Das verdammte Haus ist wie eine Festung, mehr Backstein und Beton als Holz. Da die Fenster zugenagelt sind, müßten wir rein, um die Molotowcocktails zu werfen. Möchtet ihr das ... da reingehen... selbst bei Tage?«
    Niemand sagte etwas.
    »Wir machen es am Sonntagmorgen«, sagte Mike und setzte sich auf die Kante von Harlens Küchentheke.
    »Kurz nach Tagesanbruch, bevor die Leute zur Kirche in die Stadt kommen. Wir nehmen den Tanklaster und Schläuche, wie geplant.«
    »Bis dahin sind es noch zwei Nächte«, hatte Lawrence zu sich selbst geflüstert, aber damit für alle gesprochen.
    Der graue Tag war einer fahlen Dämmerung gewichen, die Luft war stehend und drückend schwül, kein Lüftchen regte sich, als Mike in Memos Zimmer einnickte. Sein Vater arbeitete die letzte Nacht seiner Spätschicht, seine Mutter lag mit einem Migräneanfall im Bett. Kath-leen und Bonnie hatten in der Kupferwanne in der Küche gebadet, waren oben und bereiteten sich aufs Zubettgehen vor. Mary war zu einer Verabredung gegangen, und Peggy war im Wohnzimmer und las ein Magazin, als es an der

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