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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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spielten.
    Westlich von dort wandte er sich wieder nach Norden, um die Stadt und das obere Ende der Broad Avenue zu umgehen.
    Nach dem Ende der Cotton Road mußte er einen schmalen Weg durch die Büsche bis zu den Schienen nehmen, aber er konnte sich nicht vorstellen, daß sich der Abdeckereilaster hier durch Gestrüpp und Unterholz zwängen würde. Da erst wurde ihm klar, daß er nur ein paar hundert Meter von der Talgfabrik entfernt war - wo der Laster laut Congden angeblich >gestohlen< worden war -, aber der Wald war hier so dicht, daß Duane nicht einmal das Blechdach des Gebäudes sehen konnte.
    Nach dem Unterholz waren die Schwellen eine Erleichterung beim Gehen, und Duane machte langsamer, schraubte die Thermosflasche auf und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Er blieb nicht stehen, sondern trank beim Gehen und nahm in Kauf, daß ihm Kaffee auf Hemd und Hose tropfte. Nun, die Hosen hatten sowieso dieselbe Farbe wie die Flecken.
    Er roch die Müllkippe, bevor er sie sah, und dann erblickte er die erbärmliche Ansammlung von Schuppen vor dem Südeingang zur Halde. Cordie Cooke wohnte in einem dieser Häuser - wenn man dieses Durcheinander von Dachpappe und Wellblech und Schlackestein überhaupt als Häuser bezeichnen konnte -, aber Duane wußte nicht genau, in welchem. In diesem Moment sah er etwas aus dem Augenwinkel. Etwas bewegte sich im Unterholz auf der Westseite der Schienen, aber obwohl Duane sofort hinsah, konnte er das Tier nicht erkennen.
    Er ging weiter, an den Halden des städtischen Müllabladeplatzes vorbei - die Müllberge waren deutlich zwischen und über den Bäumen zu sehen-, dann ging er über die schmale Brücke des Rinnsals, das drei Meilen östlich von hier zum Leichenbach wurde. Er hatte Glück: Der Wind drehte von Norden, daher ließ er die Müllhalde wirklich hinter sich, als er daran vorbei war.
    Von der Müllhalde aus war es ein einfacher, sieben Meilen langer Spaziergang durch die Wälder und Felder von Creve Coeur County, den Duane in etwas mehr als zwei Stunden schaffte.
    Oak Hill war mehr als dreimal so groß wie Elm Haven und konnte sich einer Einwohnerzahl von fast 5500 rühmen. Es besaß ein kleines Krankenhaus und eine Bibliothek, die größer als ein Hühnerstall war, eine kleine Fabrik am Stadtrand, ein County-Gerichtsgebäude, einen Block Vorort - einfach alles.
    Duane kletterte vom Wall herunter, als sich die Schienen nach Osten an der Stadt vorbei krümmten. Es machte ihm nichts aus, die Alleen von Oak Hill entlangzugehen, aber jedesmal, wenn ein Auto oder Lastwagen hinter ihm um die Ecke bog, sah er rasch über die Schulter und vergewisserte sich vage, daß Veranden in Reichweite waren.
    Auf dem Rasen des Gerichtsgebäudes machte er im Schatten einer Eiche und einer Bronzekanone Rast, aß seine Mettwurstbrote und trank den Kaffee dazu. Ihm war heiß - es mußte über dreißig Grad haben -, aber das Flanellhemd klebte nicht an ihm. Als er fertig war, befestigte er die Thermosflasche wieder am Gürtel und ging zum Krankenhaus an der Südseite des Platzes.
    Der Name der Frau auf einem grünen Schild war Miß Alnutt, ihr Schreibtisch stand unerbittlich in der Mitte des einzigen Flurs zu den Stationen, und sie war eisenhart. »Du kannst da nicht hinein«, sagte sie in ihrem harschen Altjungfernton. Der schwache Wind des Ventilators an der Decke fächelte Duane ihren Geruch nach Talkumpuder und alter Haut zu. »Du bist zu jung.«
    Duane nickte. »Ja, Ma'am. Aber Jimmy ist mein einziger Vetter, und seine Mama hat gesagt, ich darf ihn besuchen.«
    Miß Alnutt ruckte mit dem Kopf - eine Geste, die man als Verneinung deuten konnte. »Du bist zu jung. Niemand unter sechzehn darf den Patientenflügel betreten. Keine Ausnahmen.« Sie betrachtete ihn durch die Halbbrille auf der Nase. »Außerdem ist kein Essen und Trinken von außerhalb in den Zimmern der Patienten gestattet.«
    Duane betrachtete seine Thermosflasche und löste sie hastig vom Gürtel. »Ja, Ma'am. Ich könnte sie hierlassen. Ich möchte ihn nur ganz kurz sehen - ich verspreche Ihnen, ich sehe ihn nur an und komme gleich zurück.«
    Miß Alnutt machte eine hastige Gebärde mit der von Äderchen durchzogenen Hand und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Karten in ihrem kleinen Karteikasten. Duane war die Zimmernummer aufgefallen, als er nach Harlen gefragt hatte. Jetzt sagte er: »Danke, Ma'am«, drehte sich um und stapfte in die Halle zurück.
    Der einzige Münzfernsprecher befand sich im Flur zu den

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