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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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öffentlichen Toiletten. Das einzige Telefon in der Halle hatte er auf dem Empfangstisch gesehen, zwanzig Schritte den Korridor entlang und um die Ecke. Er hatte fünfzig Cent in Kleingeld mitgebracht, für alle Fälle. Er brauchte nur zehn. Die Nummer stand in dem zerlesenen Telefonbuch.
    Sie riefen sie nicht aus. Eine der Schwestern aus der Halle kam her, flüsterte mit Miß Alnutt und ging mit ihr, als die alte Dame zum Empfangstisch eüte. Es war schließlich ein wichtiger Anruf.
    Duane schlenderte an dem verlassenen Schreibtisch vorbei, betrat den Patientenflügel und widerstand zum zweitenmal an diesem Tag dem Impuls zu pfeifen.
    Nach dem Frühstück lieh sich Dale Stewart das Fernglas seines Dad aus und fuhr die Depot Street zum Güterbahnhof hinunter und dann an den Schienen entlang zu Cordies Haus. Er wollte eigentlich nicht gehen - das ganze Viertel hier war ihm wegen Congdens Haus zu mulmig, und im Wald bei der Müllkippe war es noch schlimmer -, aber nach der Unterhaltung im Hühnerhaus am Abend zuvor empfand Dale es gewissermaßen als seine Pflicht. Aber Dale hatte keine Ahnung, was Cordie und Tubby Cooke mit einem Deppen zu tun hatten, der Duane mit dem Abdeckereilaster angst gemacht hatte.
    J. P. Congdens schäbiges Haus lag im selben Block wie das von Harlen, aber der schwarze Chevy stand nicht wie sonst im Hof, und in dem unkrautüberwucherten Garten regte sich nichts. Dale hatte nicht so sehr Angst vor dem Friedensrichter - obwohl ihm der alte Furz am Vortag einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte -, aber er hatte Angst vor dem kriminellen Sohn von J. P., nämlich C. J. Jedes Kind in der Stadt hatte Angst vor C. J.
    C. J. Congden hatte die Schule im vergangenen Jahr endgültig geschmissen, sechzehn Jahre und immer noch in der achten Klasse, wer konnte es ihm verdenken? -, und den meisten Jungs in Elm Haven war an diesem Tag nach einer Party zumute gewesen. Congden war die Karikatur eines Kleinstadtschlägers: Entenarsch-frisur, Pickel im teigigen Gesicht, die wie eine tropische Krankheit aussahen, fettiges T-Shirt mit einer Schachtel Zigarren im Ärmel, groß, schlank, aber muskulös, mit gewaltigen, bösen Pranken, dreckige Jeans, die er so tief trug, daß Leute, die ihn laufen sahen, fast damit rechneten, sein Pimmel würde über den Gürtel herausschnellen, schwere Fliegerstiefel mit Metallkappen, die Funken auf dem Beton schlugen, wenn er schlurfte, eine Dose Schnupftabak in der Gesäßtasche und ein Klappmesser in der vorderen ... Dale hatte einmal zu Kevin gesagt, daß C. J. Congden ein Handbuch für Schläger haben mußte, nach dem er sich einkleidete.
    Aber Dale machte keine Witze über C. J., wenn sie mitgehört oder wiederholt werden konnten. Als die Stewarts vor vier Jahren von Peoria nach Elm Haven gezogen waren - da kam Dale in die dritte Klasse und Lawrence in die erste -, hatte Dale den Fehler gemacht, C. J.s Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Congden war damals zwölf Jahre alt und immer noch Fünftkläßler gewesen, aber er streifte durch den Spielplatz der kleinen Kinder wie ein Hai durch eine Schule Rötlinge.
    Nach der zweiten Tracht Prügel auf dem Schulhof hatte sich Dale an seinen Dad um Hilfe gewandt. Sein Dad hatte ihm gesagt, daß alle Schläger Feiglinge waren, wenn man sich ihnen entgegenstellte, zögen sie ab. Am nächsten Tag hatte sich C. J. entgegengestellt.
    An diesem Tag hatte Dale zwei Milchzähne verloren, einige der zweiten waren locker geworden. Seine Nase blutete drei Tage lang, und er hatte immer noch eine Narbe an der Hüfte, wo C. J. ihn getreten hatte, nachdem er gestürzt war und sich zusammengerollt hatte. Seit dieser Woche stand Dale den Ratschlägen seines Vaters mit einer gewissen Skepsis gegenüber.
    Dale versuchte es mit Bestechung. Congden nahm die Smarties und das Essensgeld und prügelte Dale trotzdem windelweich. Dale versuchte, zum Mitläufer zu werden, ging sogar so weit, daß er versuchte, als Teil der Equipage von Dummköpfen des Schlägers mit über den Spielplatz zu schlendern. Congden verpaßte ihm aus Prinzip einmal wöchentlich eine Abreibung.
    Daß Congdens einziger legitimer Handlanger - Archie Kreck - in Dales Klasse war, verschlimmerte die Lage zusätzlich. Archie hätte selbst der Stadtschläger sein können, wenn es C. J. nicht gegeben hätte: Er trug die gleiche Kleidung, hatte Kappen an den Schuhen, war klein und vierschrötig und gemein, sah ein bißchen wie Mickey Rooneys böser Zwillingsbruder aus und hatte ein

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