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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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überall trockene Zweige hegen. Er nistete sich in einer Nische zwischen zwei Bäumen und einem Busch ein, stellte das Fernglas auf Cor-dies Haus ein und wartete.
    Cordies Haus war chaotisch. Es war so klein, man konnte sich kaum vorstellen, daß vier Erwachsene - zwei Onkel von Cordie wohnten auch dort - und ein paar Kinder dort wohnen konnten. Verglichen mit dem Haus waren Daysingers Hütte und Congdens Mausefalle Paläste.
    Drei alte Häuser lagen in der Mulde beim Tor zur Halde. Das von Cordie war das schlimmste, aber sie waren alle gräßlich. Alle Häuser standen auf Schlackeblocks, aber ihres sah aus, als wäre es hinten runtergefallen und lag tatsächlich schief wie ein Boot, das nach einem Sturm an Land gespült worden war. Am Waldrand und dem Bach dreißig Meter hinter dem Haus wuchs das Gras dicht und grün, aber der Hof bestand aus gestampfter Erde, in der Schlammpfützen die einzige Abwechslung boten. Überall lag Schrott verstreut.
    Dale liebte Schrott wie alle Jungs. Wenn die Müllkippe nicht so viele böse Ratten und Nachbarn wie die Cookes und Congdens beherbergt hätten, wären er und die anderen Jungs ständig hier gewesen und hätten gespielt, gegraben, erforscht und Beutezüge gemacht. So aber verbrachte die Fahrradpatrouille mehr Zeit damit, beim Sperrmüll Sachen, die weggeworfen wurden, in den Straßen der Stadt durchzusehen, als mit jeder anderen Tätigkeit. Schrott war toll. Die Leute warfen die tollsten Sachen weg. Einmal hatten Dale und Lawrence einen richtigen Panzerhelm gefunden - ein gepolstertes Ding aus echtem Leder und deutscher Schrift an der Innenseite-, den Lawrence seither bei jedem Footballspiel einer gegen zehn aufsetzte. Ein andermal hatte Dale und Mike ein großes Waschbecken gefunden und den ganzen Weg zu Mikes Hühnerhaus geschleppt, bis Mr. O'Rourke sie angebrüllt hatte, sie sollten es zurückbringen.
    Schrott war toll.
    Aber nicht dieser Schrott. Hinter Cordies Haus lagen rostige Federn, kaputte Toilettenschüsseln - obwohl Dale sicher war, Cordie hatte einmal gesagt, sie hätten einen Abort -, Windschutzscheiben, deren Scherben zwischen Unkraut aufragten, rostige Autoteile, die wie die Organe eines Monsterroboters aussahen, Hunderte verrostete Konservendosen, deren scharfkantige Deckel wie Sägeblätter hochstanden, verbogene Dreiräder, die aussahen, als wäre ein Lastwagen auf ihnen hin und her gefahren, weggeworfene Puppen mit Schimmel auf der rosa Plastikhaut, deren tote Augen himmelwärts starrten. Dale verbrachte mindestens zehn Minuten damit, den Schrottplatz hinter Cordies Haus zu inspizieren, bevor er das Fernglas sinken ließ und sich die Augen rieb. Verdammt, was machen sie mit dem ganzen Plunder?
    Spionieren war eine langweilige Sache, stellte Dale fest. Nach einer halben Stunde hatte er einen Krampf im Bein, Insekten krabbelten auf ihm herum, er bekam Kopfschmerzen von der Hitze, und er hatte nur Cordies Mutter gesehen, die Wäsche von der Leine nahm - die Laken sahen grau und fleckig aus - und zwei dreckige kleine Cooke-Kinder anschrie, die sich in der tiefsten Pfütze im Hof mit Schlamm bewarfen, in der Nase bohrten und sich den Rotz an die Hosen wischten.
    Keine Spur von Cordie. Keine Spur von etwas, wonach er suchte. Wonach suchte er eigentlich? Verdammt, sollte doch Mike herkommen und das machen, wenn er Cordie Cooke überwacht haben wollte.
    Dale wollte gerade aufbrechen, als er Schritte auf den Schwellen auf der Eisenbahnböschung hörte. Er duckte sich, schmierte das Fernglas ab, damit sich die Sonne nicht in den Linsen spiegelte, und versuchte zu erkennen, wer es war. Er sah Cordhosen zwischen den Blättern und Beine, die in bekannter Weise watschelten.
    Verflixt, was hatte Duane hier zu suchen?
    Dale lief zu einer anderen Stelle, wobei er ein Geräusch im Unterholz erzeugte, aber dreißig Meter nördlich machten die Gleise eine Biegung, und als Dale eine Stelle erreicht hatte, von der aus er etwas sehen konnte, gab es nichts mehr zu sehen.
    Er ging in Richtung seines Beobachtungspostens zurück, aber als er vor sich zwischen dem Bäumen etwas Graues sah, das sich bewegte, ging er in Deckung und nahm das Fernglas zur Hand.
    Cordie stapfte nachdrücklich durch den Wald zu den Schienen. Sie hatte eine doppelläufige Schrotflinte dabei.
    Dale spürte, wie seine Knie irgendwie weich wurden. Wenn sie ihn nun gesehen hatte? Cordie war verrückt - das war keine Beleidigung, nur eine Feststellung. Letztes Jahr, in der fünften Klasse, kam ein neuer

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