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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
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unter den Füßen, sein Glück beim Laufen gelobt oder den Ärger dabei niedergetrampelt.
    Und heute? Jetzt?
    Beine wie Blei!
    Locker, unverkrampft laufen, ja wie denn, wenn's überm Brustbein kribbelt und selbst die Spucke knapp wird? Zweiundsechzig Jahre spurt nun die Maschine. Langsam hat sie genug. Und das ist ihr gutes Recht …
    Wieder eine Bank.
    Dabei waren's noch hundertzwanzig Meter zur Kurve. Nicht hinsehen.
    Trab-trab-trab …
    Eine schwarze Amsel flatterte aus dem Gras.
    Wie soll sie sich auch verstecken, so kurz, wie die elenden Tierquäler von Stadtgärtner den Rasen halten?
    Die Amsel schrie, schrie wie eine Hausfrau, der die Wäsche naß wird, hebt ab, streicht flach vor Theo her, hin und her schaukelnd wie ein überladenes Flugzeug, streift einen Ahornzweig und entlockt ihm eine Wolke funkelnder Tropfen: eine schreiende, schwarze Amsel – das einzige, das in diesem grauen Nieselregen noch Mumm und Leben beweist!
    Disziplin ist alles beim Dauerlauf …
    Richtig! – Aber richtig ist auch, daß jeder irgendwann und irgendwo an seine Grenze stößt. Selbst amerikanische Präsidenten. Der arme, magere Jimmy Carter zum Beispiel, wie das aussah, als er zusammenbrach! Und hatte auch noch die Fernsehkameras im Kreuz …
    Das Alter ist ein Schiffbruch.
    Blag-blag-blag …
    Theo hatte es doch irgendwo gelesen? Richtig: noch ein Staatsmann, Charles de Gaulle. Du willst den Körper stählen, holst dir deinen Infarkt, und wen du stählst, ist der ›Sport-Schneider‹ am Markt. Hundertzwanzig Mark für ein Paar Schuhe?! Das gibt's doch gar nicht …
    ***
    Theo steuerte eine Bank an und schämte sich kein bißchen.
    Das Holz war naß und kühlte seine Kehrseite. Sich drauf plumpsen lassen – total verkehrt! Er müßte jetzt die Arme ausbreiten, Freiübungen machen, Luft reinpumpen, kurze Schritte im Stehen, aber Theo war's egal: Er lehnte sich auf seiner Bank zurück und bewegte die nassen Zehen im nassen Leder.
    Dann sandte er einen langen, nachdenklichen Blick aufwärts, an tropfenden, dunklen Blutbuchen- und Ahornzweigen vorbei, höher und höher, bis in den Himmel über der Schwäbischen Alb: Keine einzige Wolke gab es dort. Alles kleistergrau. Wie seine Stimmung.
    Kleistergrauen Himmel im Herzen hatte Theo seit Tagen, seit Wochen!
    Dabei kannte er so viele Himmel, kannte die Himmel des Südens, des Ostens, des Westens und des Nordens, den Himmel über den Schären Norwegens, Pazifik-Himmel, Antillen-Himmel, Karibik-Himmel, den Himmel über den Anden wie über den Alpen. Von den Himmeln Europas mal ganz abgesehen, den Himmeln Spaniens, Italiens, Griechenlands …
    Im Osten, hinter dem Stahlgerüst der Umspannungswerke des Stadtwerks, dort, wo die Sonne gerade aufgegangen sein mußte, hielt sich wie ein blutroter Schnitt im Grau ein glühender Streifen.
    Das Rot erinnerte Theo an einen Morgen über Korfu.
    Ein ganzer Horizont aus Goldglanz und Feuer. Selbst das Meer so herrlich rot, weinrot mit goldenen Purpurstreifen, während es sich weiter draußen, wo bereits die ersten Boote schwammen, in ein transparentes Türkis verwandelte.
    Noch immer schoben die Fischer ihre Boote in die Brandung. Blauweiß waren die, hatten schwarze Augen vorne draufgemalt.
    So etwas gibt's noch heute … Solche Himmel, solche Boote existieren überall. – Und du?
    Am Pavillon krähten die ersten Schuljungen, und über den Weg an der Mauer marschierte einer heran, den Schirm entschlossen in der Hand …
    »Na, Herr Schmidle, sportlich, sportlich! Aber a Pause muß au amol sei.«
    Theo brauchte die Brille nicht aus der Brusttasche des Jogginganzugs zu fischen, den Kübler hatte er sofort erkannt. Er tat es trotzdem und säuberte mit dem Taschentuch die beiden kleinen, ovalen Gläser.
    »Morgen, Herr Kübler.«
    »Mer isch halt au nimmer de Jüngschte, net?«
    Theo nickte und wünschte den dicken Kübler samt seinem dämlichen Schirm zum Teufel.
    »No ebbes, Herr Schmidle: Saget Se doch der Christi, Ihrer Dochter, en schöna Gruß vom Kübler Karle. Net vergessa, gell?«
    Theo nickte wieder. Noch immer schmerzten die Beine, nun war's auch der Magen. Lange sah er Küblers glänzendem Regenschirm nach, dann schloß er die Augen …
    ***
    Und wieder bestürmte Theo ein Bild: noch ein Himmel, dieser war von einem leuchtenden Türkis, und große, rosa überhauchte Wolkenschiffe durchsegelten ihn. Die Blätter der Bäume waren bereits feuerfarben und die Berge dunkel, ihre Kanten scharf, wie aus Glas geschnitten. In der

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