Sommer, Sonne, Ferienglück
sonst?
»So«, sagte Hedwig Pauli zufrieden. »Die kitschige Ader, die ich für diesen Ort entdeckte, die Sentimentalität, die mich mit der ›Villa Caruso‹ verbindet, kennt inzwischen jeder in diesem Raum zur Genüge.«
Schweigen.
»Da ich aber Gott sei Dank auch noch mit einer begabten Nase ausgestattet bin, ist mir seit langem klar, daß in Ihrem Laden was nicht stimmt. Ich roch es, Herr Schmidle. Es, nehmen Sie mir's nicht übel, es roch ein bißchen faul. Wo ist denn Ihr Whisky? – Dr. Schürmann, wo ist sein Whisky?«
»Sofort, sofort.« Schürmann sprang auf und brachte eine schottische Marke, die Theo noch nie gesehen hatte. Hedwig Pauli nahm sie ihm ab und studierte beifällig das Etikett, ehe sie sie weitergab.
»Bei Whisky zeigt er Geschmack, was man bei seiner Wahl von Frauen oder Weinsorten nicht gerade behaupten kann! Na dann Prost, meine Herren! – Wo war ich noch? Ah ja: Da ich, wie gesagt, von Anfang an den Eindruck hatte, daß manches nicht koscher ist, habe ich mir erlaubt, mir meine eigenen Gedanken zu machen.«
Theo trank. Der Alkohol mobilisierte seinen Widerstandsgeist nur in Maf3en, aber er meldete sich zu Wort. Erfolglos.
»Lassen Sie's, Herr Schmidle. Es ist umsonst. Ich hab' halt recht. Ihnen laste ich ja nichts an. Was ich sagen wollte, war doch nur: Mir hat's trotzdem prima hier gefallen. Was heißt hat, es gefällt mir immer noch. Und weil das so ist, will ich, daß es auch in Zukunft so bleibt. Mit einem Wort: Der Laden, die ›Villa Caruso‹, muß weitermachen!«
Theo starrte Hedwig Pauli aus weit aufgerissenen Augen an. Dann holte er tief Luft. Es war ein so tiefer Atemzug, daß es ihm beinahe die Brust sprengte.
»Soll das heißen, verehrte, gnädige …«
»Jetzt gnädigt er schon wieder herum! Das soll heißen, daß ich einsteige. Voll einsteige. So einsteige, daß das ›Hotel Caruso‹, das garantiere ich Ihnen, in kürzester Zeit nicht nur in Schwung kommt, sondern zum Renner wird. Spitzenklasse, Nummer eins in diesem Nest. – Drunter mach' ich's nämlich nicht.«
Drunter mach' ich's nicht? So redet eine Hedwig Pauli? – Dabei: Hatte er sich nicht genau dasselbe vorgestellt?
»Aber zu meinen Bedingungen …«
Theo räusperte sich. Am Hals fühlte er das Holz des Schafotts. Jetzt kam das Beil gesaust …
Doch sie lächelte so milde, wie man wahrscheinlich nur in ihrem Alter lächeln kann.
»Angst zu haben brauchen Sie nicht, mein lieber Theo. Darf ich Theo zu Ihnen sagen?«
»Es ist mir eine Ehre.«
»Sie haben Schwung, Sie haben viel, viel Menschlichkeit, und das ist eine Eigenschaft, die kaum mehr zu finden ist, die ausstirbt, wenn sie das nicht bereits ist. Und Sie haben Ideen. Nur eine haben Sie nicht, die leiseste Idee, wie man mit Geld umgeht und ordentlich plant. Deshalb Bedingung Nummer eins: Mit Geld haben Sie gar nichts mehr zu tun.«
»Wie herrlich!« hätte Theo gerne versichert. Irgendwie blieb ihm jedoch der Eindruck, daß dies nur Minuspunkte einbringen konnte.
»Geld bleibt Sache Ihrer Tochter. Die hat das Zeug dazu. Nur: Haben Sie ein Auge auf die Kleine. Ich meine, was ihre Beziehung zu Michele angeht. Den kenne ich zwar nicht, aber wenn ich so an meinen Benito denke … Und dem gleicht er zumindest äußerlich wie ein Ei dem anderen. Also, wenn er von diesem Vater einen Schuß zuviel hat, na dann …«
Sie ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen. Obwohl die Worte ja fast drohend geklungen hatten, das Gesicht war es nicht.
»Noch was, Herr Schmidle. Diese Dame, diese Frau, ich meine, diese Bäuerin, die uns da gestern verköstigt hat …«
»Sie kocht auch heute. Für die Leute, die hier sind. Der Rest …«
»Ich weiß, wo der Rest ist. Jedenfalls, eine solche Frau sollten Sie sich sichern. Die ist Gold wert.«
»Ja.« Theo Schmidle wurde es richtig feierlich. »Das hab selbst ich schon gemerkt.«
***
Das Gemüse war fertig.
Giulietta war dabei, den Lammbraten aus dem Ofen zu holen. Sie nahm gerade die Topflappen, um die Kasserolle anzufassen, als sich zwei Hände auf ihre Schultern legten.
»Madonna! Laß das.«
»Entschuldigung!« schrie Theo. »Aber wir haben gewonnen!«
»Was gewonnen?«
»Ja, wenn ich das so genau wüßte. Aber vielleicht alles. Auf der ganzen Linie vielleicht. Ein Wunder, Giulietta. Ein richtiges – wie heißt das noch – ein richtiges, rundes ›miracolo‹!«
»Welches miracolo? Und steh' mir nicht ständig im Weg rum, maledetto.«
Carlo, der Kellner, kam in die Küche
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