Sommer, Sonne, Ferienliebe - Eis mit Kuss: aus der Reihe Freche Mädchen – freche Bücher! (German Edition)
mitten auf der Bühne der Peinlichkeit! Wie aus weiter Ferne höre ich alle möglichen italienischen Wortfetzen. Wie gut, dass ich kein Italienisch kann! Sonst würde ich verstehn, was dicke Kuh oder Walross heißt.
Ich prüfe schnell, ob ich noch alle Knochen bewegen kann, und wage es, den Kopf zu heben. Die Lage ist schnell überblickt. Gleich neben mir liegt das italienische Opfer. Braun wie ein Model für Sonnenbänke, schwarzhaarig wie Black Beauty und ein Gesicht wie die italienische Ausgabe von Leonardo DiCaprio. Ich habe mir zielsicher den knackigsten Papagallo ausgesucht! Offensichtlich ist auch bei ihm kein lebenswichtiges Organ zerstört worden, jedenfalls rappelt er sich hoch und glotzt mich mit seinen Schokoladenaugen an.
»Eh, bella !«
Eh, bella ? Das heißt nicht Walross oder dicke Kuh! So viel steht fest. Soweit meine Italienischkenntnisse reichen, heißt eh eben eh , und bella Schöne . Mit wem redet der?
Er streckt mir die Hand hin, ich greif ohne nachzudenken danach und werde hochgezogen. Spätestens jetzt wird das Walross kommen. Ein Walross, für das selbst italienische Papagallos eine Hebebühne brauchen! Aber er sagt nichts. Er grinst breit.
»Du deutsch?«, fragt er dann.
Was soll das? Macht der sich lustig? Spielt der ein mieses Spielchen mit mir? Oder ist das gar keine Frage, sondern eine einfache Feststellung, weil es jeden zweiten Abend vorkommt, dass deutsche Walrösser in italienische Vespas rennen? Vielleicht sind deutsche Pubertätspickel berühmt dafür, dass sie sizilianischen Schrott fabrizieren.
Ich nicke einfach.
»Germania« , sagt er fachmännisch.
Ich nicke wieder und warte auf ein Wort, das sich wie Pottwal anhört. Pottiwali vielleicht. Ich werfe aus dem Augenwinkel einen Blick auf die Vespa. Spiegel kaputt. So ein Mist. Dafür geht das ganze Urlaubsgeld drauf. Pottiwali zahli zahli. Nun, komm, sag es schon!
»Bella ragazza« , sagt er und grinst.
Hä? Schönes Mädchen? Hat der eine Gehirnerschütterung? Ich warte. Darauf, dass alle Umstehenden in schallendes Gelächter ausbrechen. Aber keiner lacht. Verstehen die Italiener denn keine Ironie? Wenn ein Pottwal bella ragazza genannt wird, dann ist das doch lustig! Ich gucke mich um. Aus zwanzig braun gebrannten italienischen Jungsgesichtern leuchten weiße Zahnreihen. Sie lächeln. Und zwar nicht hämisch, auch nicht angeekelt, nicht mal nebensächlich, sondern ... tja ... wie soll ich sagen ... so, als wollten sie unbedingt mal an meinem Himbeereis lecken. Himbeereis! Gutes Stichwort! Ich reiße mich zusammen.
»Ähm«, sage ich und deute auf den zerbeulten Vespaspiegel. »Quanta costa?« War das jetzt Italienisch oder Spanisch? »What does it cost?« , schiebe ich schnell international verständlich hinterher. »Was das kostet?«, stottere ich noch dazu und reibe die Finger aneinander, um auch letzte Verständigungsschwierigkeiten aus dem Weg zu räumen.
»Nix«, sagt der Junge und grinst. »Füre umsonste füre bella ragazza .«
Der hat zu viel Sonne abgekriegt, so viel steht fest. Aber mir soll es recht sein. Wenn ich schon nicht meine Würde retten konnte, dann wenigstens mein Urlaubsgeld.
» Grazie «, sage ich knapp.
»Iste Freude«, sagt er.
Meine Hände fühlen sich ganz abgestorben an und über meinen Rücken läuft ein heiß-kalter Schauer. Diese Situation überfordert mich mehr als alle Bundesjugendspiele zusammen. Ich verziehe die Mundwinkel und hoffe, dass dabei ein Lächeln zustande kommt. Himbeereis, denke ich, drehe mich um und wanke x-beinig Richtung Brunnen.
»Na«, lacht Papa. »Schon einen Verehrer gefunden?«
Ich knurre. Was auch immer das eben war, es muss sich irgendwie rational erklären lassen. Wahrscheinlich haben die hier in Taormina ein Gesetz, nach dem jede Touristin, unabhängig von ihrem Äußeren, italienisch anzuflirten ist, um den Tourismus zu fördern. Und wer das nicht tut, hat mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Gefängnis zu rechnen. Wahrscheinlich kann der Papagallo sich sogar im Rathaus umsonst einen neuen Vespaspiegel abholen. Und obendrein bekommt er eine Prämie für aufopferndes Flirten, für besondere Verdienste um die Stadt Taormina. Wahrscheinlich leben hier alle Männer von 13 bis 85 ausschließlich vom professionellen Touristinnen-Angeflirte. Ja, so wird es sein! Immerhin habe ich dann heute mit meiner Anwesenheit auf diesem Erdball für den Lebensunterhalt einer ganzen sizilianischen Großfamilie gesorgt. Pasta für alle! Man kann überflüssiger sein
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