Sommer, Sonne und dein Lächeln: Sommerträume (German Edition)
festhalten. Dabei wollte sie nicht den Eindruck des strahlenden Sonnenlichts und setzte deshalb einen Filter für geringe Kontraste vor. Beim Vergrößern wollte sie dann das Licht im Himmel verringern, indem sie etwas über diesen Teil des Fotopapiers hielt, damit es nicht überbelichtet wurde. Sie wollte das Gefühl der Leere und des Wartens als Kontrast zu dem Leben und der Energie, die soeben aus dem Gebäude geströmt waren. Sie hatte den Film zu Ende fotografiert, ehe sie sich aufrichtete und die Kamera am Riemen baumeln ließ.
Die Schule ist aus, dachte sie mit einem Lächeln. Sie selbst empfand diesen ganz besonderen Drang der Freiheit in sich. Der Sommer hatte soeben begonnen.
Seit sie aus dem festen Mitarbeiterstab von CELEBRITY ausgeschieden war, hatte sich Blanches Arbeitslast nicht verringert. Sie hatte festgestellt, dass sie selbst eine härtere Arbeitgeberin warals das Magazin. Sie liebte ihre Arbeit und widmete ihr den gesamten Tag und die meisten ihrer Abende. Ihr Exmann hatte ihr einmal vorgeworfen, nicht sie besitze die Kamera, sondern die Kamera sie. Das war etwas, das sie weder abstreiten noch rechtfertigen konnte. Nach zwei Tagen Arbeit mit Sidney entdeckte Blanche, dass sie darin nicht allein war.
Sie hatte sich stets für eine gewissenhafte Handwerkerin gehalten. Verglichen mit Sidney war sie schlampig. Er brachte bei seiner Arbeit eine Geduld auf, die sie bewunderte, obwohl sie ihr gleichzeitig auf die Nerven ging. Sie arbeiteten von völlig verschiedenen Perspektiven aus. Blanche schoss eine Szene und brachte ihren persönlichen Blickpunkt ein, ihre Emotionen, ihre Gefühle über das Bild. Sidney suchte die Vieldeutigkeit. Während seine Fotos ein Dutzend verschiedener Reaktionen hervorrufen mochten, blieb seine persönliche Sicht fast immer sein Geheimnis. Genau wie alles an ihm halb im Dunkeln blieb.
Er redete nicht viel, aber Blanche machte es nichts aus, schweigend zu arbeiten. Es war fast so, als würde man allein arbeiten. Seine langen ruhigen Blicke konnten allerdings entnervend sein. Sie wollte nicht wie in einem Sucher seziert werden.
Seit ihrer ersten Begegnung in Blanches Studio waren sie zweimal zusammengekommen, um über die Route und die Themen für den Auftrag zu sprechen. Blanche hatte Sidney nicht einfacher im Umgang gefunden, dafür aber voll engagiert. Das Projekt bedeutete für sie beide so viel, dass sie es möglich machen würden, Blanches Vorschlag zu folgen: sich irgendwo in der Mitte zu treffen.
Nachdem Blanches anfänglicher Ärger auf Sidney abgeklungen war, fand sie, dass sie in den nächsten Monaten Freunde werden könnten – zumindest auf beruflichem Gebiet. Nach zwei Tagen Arbeit mit ihm wusste sie jedoch, dass es nie dazu kommen würde. Sidney rief keine einfachen Emotionen wie Freundschaft hervor. Entweder war er faszinierend, oder er verärgerte. Sie beschloss, sich nicht faszinieren zu lassen.
Blanche hatte genaue Nachforschungen über ihn angestellt, was sie sich selbst gegenüber als reine Routine ausgab. Man trat schließlich nicht mit einem Mann eine Reise an, von dem man praktisch nichts wusste. Doch je mehr sie herausgefunden hatte – das heißt, je mehr sie nicht herausgefunden hatte –, desto größer war ihre Neugierde geworden.
Mit Anfang Zwanzig hatte er geheiratet und war wieder geschieden worden. Und das war es auch schon – keine Anekdoten, keine Gerüchte, nichts Positives und auch nichts Negatives. Er verwischte seine Spuren sehr sorgfältig. Als Fotograf für INTERNATIONAL VIEW hatte er insgesamt fünf Jahre in Übersee verbracht. Nicht im schönen Paris, London oder Madrid, sondern in Laos, Libanon, Kambodscha. Seine Arbeit dort hatte ihm eine Nominierung für den Pulitzer-Preis und den Overseas Press Club Award eingetragen.
Seine Fotos standen zu Studienzwecken und zum Analysieren zur Verfügung, sein Privatleben blieb jedoch undurchsichtig. Er zeigte sich wenig in der Öffentlichkeit. Seine Freunde waren unbeugsam loyal und frustrierend verschwiegen. Wollte sie mehr über Sidney herausfinden, musste Blanche es während ihrer gemeinsamen Arbeit versuchen.
Blanche betrachtete es als gutes Zeichen, dass sie sich darauf geeinigt hatten, an ihrem letzten Tag in L. A. am Strand zu arbeiten. Ohne Streit. Strandszenen würden sich als ständiges Thema durch den Bildbericht ziehen – von Kalifornien bis Cape Cod.
Zuerst gingen sie zusammen über den Sand, wie Freunde oder Liebende, berührten einander nicht, hielten aber gleichen
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