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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Bademantel.
    Ehrlich gesagt war überhaupt keine Spur von Jane in seinem Zimmer zurückgeblieben. Wie ein Dieb in der Nacht hatte sie sich davongestohlen – und er hatte es unbemerkt zugelassen. In Zukunft würde er darauf achten, sie bei sich zu behalten.
    Kein Wunder, dass Charles so darauf erpicht gewesen war, sie zu heiraten.
    Beim Gedanken an Charles fühlte George sich unwohl. Letzte Nacht war er allem und jedem gegenüber blind und taub gewesen, was nicht Jane hieß. Und das schloss seinen Bruder ein.
    An diesem Morgen jedoch, im hellen Licht des neuen Tages, war er gezwungen, sich dem Gedanken zu stellen, dass er das Mädchen seines Bruders geliebt hatte. Das ehemalige Mädchen, berichtigte er sich. Sie war unglücklich und in Tränen aufgelöst zu ihm gekommen. Bis zu diesem Augenblick hatte George sich nicht erlaubt, darüber nachzudenken, wo sein kleiner Bruder letzte Nacht gewesen war.
    Ohne Zweifel war ihm das Herz gebrochen worden. Vielleicht war er voller Wut, warf mit Sachen um sich, riss sich die Haare aus.
    Das wäre allerdings sehr untypisch für Charles, dachteGeorge. Er war immer ein Mann der Frauen gewesen.
    „Dein Pech, mein Glück“, murmelte George.
    Als er seinen Kulturbeutel nahm, bemerkte er aus dem Augenwinkel ein Glitzern. Er beugte sich herunter und nahm das Objekt vom Boden auf, das zwischen Bett und Nachttisch lag. Es handelte sich um einen silbernen Ohrring in Form eines Gänseblümchens. Janes Ohrring.
    George legte ihn vorsichtig, beinahe ehrfürchtig, in die oberste Schublade seines Schreibtisches. Dann stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er erfüllt von einer seltsamen kleinen Unruhe die Luft angehalten hatte.
    Der Ohrring war der Beweis, dass die letzte Nacht tatsächlich passiert war. Er war wirklich mit Jane Gordon im Bett gewesen.
    Es war eine Erleichterung, einen physischen Beweis dafür zu haben; ansonsten hätte die Gefahr bestanden, dass er das alles nur geträumt hatte.

24. KAPITEL
    G eorge trug den Ohrring wie einen Talisman in seiner Hosentasche mit sich. Er ersetzte die Hasenpfote, die er bisher gehabt hatte. Während der Professor in der Französischvorlesung eintönig über die Nuancen des Konjunktivs in der klassizistischen französischen Literatur referierte, holte George den Ohrring heraus.
    „Was hast du da?“, flüsterte Jeffords ihm hinter dem vorgehaltenen Textbuch zu.
    „Wonach sieht es denn aus?“, gab George genauso leise zurück. Er hatte noch nie einen Ohrring genauer betrachtet, darauf geachtet, wie sie funktionieren. Es war ein kleiner Schock, das nun aus nächster Nähe zu sehen. Der Ohrring ähnelte einem kleinen Folterwerkzeug, wie einer Daumenschraube. Offensichtlich hielt er, indem er das Ohrläppchen einklemmte.
    Autsch.
    Sein Freund verlor das Interesse an dem Ohrring und lehnte sich zu seinem Nachbarn auf der anderen Seite.
    Der Morgen zog sich endlos hin. George konnte nicht aufhören, an Jane zu denken. Er konnte es nicht erwarten, sie wiederzusehen, auch wenn er nicht genau wusste, wie er das anstellen sollte. Im Rausch der Leidenschaft hatte er nämlich letzte Nacht versäumt, sie nach den grundlegendsten Informationen zu fragen.
    Wie zum Beispiel wo sie wohnte.
    Oder ihre Telefonnummer.
    Und ob sie überhaupt ein Telefon hatte. Auch wenn das zwanzigste Jahrhundert zur Hälfte vorüber war, wusste er, dass es immer noch Häuser ohne moderne Annehmlichkeiten wie ein Telefon gab.
    Der erste Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmte, kam nur zu schnell, wie Gewitterwolken, die sich vor die Sonne schieben. Und den Hinweis trug er in seiner Tasche. Jane hattesich nicht nur davongestohlen, als er noch schlief, sondern sie hatte ihm auch nichts außer ihrem Ohrring hinterlassen. Vielleicht ist er also doch kein so guter Glücksbringer, dachte George und drehte die kleine Schraube hin und her. Warum hatte sie ihn nicht geweckt? Oder ihm zumindest eine Nachricht hinterlassen?
    Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, bestand darin, am Haus des Hochschulleiters auf das Ende ihrer Schicht zu warten. Er musste die Zeit falsch in Erinnerung gehabt haben, denn er wartete zwei Stunden und sah sie weder kommen noch gehen. Vielleicht war heute ihr freier Tag? Der Einzige, der wusste, wie man sie erreichen konnte, war der einzige Mensch, den George niemals fragen würde – sein Bruder Charles.
    Am zweiten Nachmittag ging er früher hin und blieb in den Abend hinein, bis die Dämmerung den Himmel mit

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